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Netzschau zum Leistungsschutzrecht

"Denn sie wissen nicht, was sie tun"

Stand: 01.03.2013, 13:35 Uhr

Der Bundestag hat am Freitag (01.03.2013) ein Leistungsschutzrecht für Presseverlage beschlossen. Um das Gesetz hat es im Vorfeld viele Diskussionen gegeben. Besonders im Internet regt sich seit Jahren Widerstand. Das Gesetz wurde zwar etwas entschärft, wurde im Internet aber dennoch scharf kritisiert und von vielen Nutzern abgelehnt.

Von Rainer Striewski

Beim Leistungsschutzrecht geht es um die Frage, ob und wie gewerbliche Anbieter aller Art im Internet Pressetexte anderer nutzen, verlinken oder zitieren dürfen. Das am Freitag (01.03.2013) vom Bundestag beschlossene Gesetz sieht vor, dass Internet-Suchmaschinen und automatische Nachrichtensammler künftig Lizenzen erwerben müssen, wenn sie Pressetexte auf ihren Seiten verwenden wollen. "Einzelne Wörter oder kleinste Textausschnitte" können laut der aktuellen Fassung aber künftig weiterhin lizenzfrei genutzt werden. Das Gesetz definiert dabei die exakte Länge nicht. Schon im Jahr 2009 hat die Regierungskoalition von CDU und FDP das Gesetzesvorhaben im Koalitionsvertrag vereinbart. Seitdem wird über darüber kontrovers diskutiert, besonders im Internet.

#lsr unter den Top-Trends

So wurde auch die Debatte am Freitag im Bundestag von zahlreichen Meinungsäußerungen beim Kurznachrichtendienst Twitter begleitet. Dort schaffte es der Hashtag "#lsr" für "Leistungsschutzrecht" schon nach den ersten 30 Minuten der Bundestagsdebatte auf Platz fünf der deutschen Twitter-Trends, nach einer Stunde lag der Hashtag schon an dritter Stelle, nach der Debatte kletterte er sogar auf Platz zwei. Hunderte Tweets kommentierten durchaus kritisch die Reden der Abgeordneten. Dabei nahmen die Twitter-Nutzer kein Blatt vor den Mund. "Heveling, Krings, Silberhor - Die Ahnungslosigkeit/Verlogenheit der Redner der Koalition ist schon beschämend #LSR", meinte etwa der Deutsche Journalisten-Verband Berlin-Brandenburg (Tweet des DJVBB). Und der Journalist Herbert Braun schrieb via Twitter: "Kann mir das #LSR nur so erklären, dass Springer endlich ein eigenes Gesetz durchsetzen wollte. Die Hoteliers haben ja auch eins gekriegt." (Tweet von Herbert Braun)

"Abmahnwache" vor dem Brandenburger Tor

"Denn sie wissen nicht, was sie tun…", fasste Johannes Ponader, Politischer Geschäftsführer der Piratenpartei, die Abstimmung zusammen (Tweet von Johannes Ponader). Da die Piraten nicht im Bundestag vertreten sind, nahmen sie an einer "Abmahnwache" vor dem Brandenburger Tor teil - und sendeten von dort Fotos der Demo über Twitter an die Internet-Nutzer. Organisiert wurde die Mahnwache vom Verein "Digitale Gesellschaft e.V.", der sich auch gegen das Leistungsschutzrecht ausspricht. Dieses sei "unnötig, strukturell falsch und wird nicht für mehr Pressefreiheit sorgen", erklärte der Vereinsvorsitzende Markus Beckedahl. Der Blogger ist auch Chefredakteur des Portals "netzpolitik.org". Dort wurde die Debatte im Bundestag in einem "Love-Blog" verfolgt und mitgeschrieben. Das Urheberrechts-Portal "iRights.info" hatte unter anderem zur Anhörung de Gesetzesentwurfes im Rechtsausschuss des Bundestages die unterschiedlichen Positionen der Sachverständigen aufgezeigt. Nach der Abstimmung fassten sie einige Reaktionen aus Politik und Wirtschaft zusammen.

Nach der Verabschiedung des Gesetzes durch den Bundestag forderte der Journalist Thomas Knüwer in seinem Blog "Indiskretion Ehrensache": "Stoppt Verlinkung auf Verlagsinhalte". CDU, CSU und FDP hätten "in willfähriger Hörigkeit gegenüber den Lobbyisten der Verlagsindustrie ein rechtliches Monster namens Leistungsschutzrecht beschlossen, dass für jeden, der Texte im Internet veröffentlicht eine rechtliche Gefahr" [sic] bedeute, so Knüwer. Und er ist sich sicher: "Zumindest die Leser von Blogs werden erkennen, dass man auf Verlagsprodukte angesichts ihrer aktuell miserablen Leistung und ihrer Lügenkampagne für den eigenen Vorteil sehr gut verzichten kann." Dem kann sich der Twitter-Nutzer Jan Lauer nur anschließen: "Lieber Bundestag, für mich braucht es kein #LSR, für mich braucht es gute Inhalte der Verlage", so sein Wunsch (Tweet von Jan Lauer).

Google: "Jetzt ist der Bundesrat gefragt"

Auch der Medienjournalist Stefan Niggemeier hat sich ausführlich mit dem Leistungsschutzrecht beschäftigt. In seinem Blog veröffentlichte er kurz vor der Abstimmung im Bundestag eine fünfteilige Serie "Lügen fürs Leistungsschutzrecht". Er wendet sich damit unter anderem gegen Befürworter des Leistungsschutzrechtes wie Christoph Keese. Der Konzerngeschäftsführer für Public Relations der Axel Springer AG spricht sich in seinem (nach eigenen Angaben) privaten Blog zum Thema für ein umfassendes Leistungsschutzrecht aus. Nicht nur Keese, auch die Verleger begrüßten in einer ersten Stellungnahme den Beschluss des Bundestages. "Mit dem Leistungsschutzrecht gibt die Politik den Verlegern ein faires Instrument an die Hand, über die gewerbliche Nutzung ihrer Inhalte durch Suchmaschinen und Aggregatoren selbst zu entscheiden", teilten der Bundesverband Deutscher Zeitungsverleger (BDZV) und der Verband Deutscher Zeitschriftenverleger (VDZ) mit. Der Suchmaschinenanbieter Google hofft nun auf eine Ablehnung des Gesetzes im Bundesrat. "Jetzt ist der Bundesrat gefragt, das Gesetz noch zu stoppen. Kam heute im Bundestag bereits zur Sprache. Daumen drücken", twitterte Kay Oberbeck, Google-Sprecher für Nordeuropa, nach der Bundestagsentscheidung (Tweet von Kay Oberbeck).

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