"Zunächst einmal bin ich völlig unbekannt geblieben, reich bin ich natürlich auch nicht geworden, aber ja … tatsächlich, es kommt was zusammen." Diese erste Bilanz zog der Autor Xander Morus, nachdem er acht Monate zuvor, im August 2011, als "völlig Unbekannter" E-Books bei Amazon eingestellt hatte. In zwei Beiträgen berichtet der Horrorgeschichten-Autor 2012 auf der Literaturseite Literaturcafe.de von seinen Erfahrungen mit dem Self-Publishing. Wohl auch, um diversen Erfolgsgeschichten etwas entgegenzusetzen.
Self-Publishing - Lektor, Verleger, Vermarkter und natürlich Autor in einer Person - dass das hervorragend funktionieren kann, hat nicht nur Amanda Hocking gezeigt. Mit über einer Million verkauften Exemplaren ihrer Vampirgeschichte ist sie die erfolgreichste E-Book-Autorin überhaupt. Aktuell befinden sich neben der Erotikreihe "Shades of Grey" gleich mehrere Self-Publisher-Titel in der E-Book-Bestseller-Liste bei Amazon. Auch der aktuelle Spitzenreiter, ein Krimi, wurde ausschließlich online beim Internetbuchhändler veröffentlicht. Wie viel sich in den vergangenen Jahren im Buchmarkt getan hat, beobachtet Wolfgang Tischer genau. 1996 startete der gelernte Sortiments-Buchhändler die Site Literaturcafe.de und berät seitdem regelmäßig werdende Autoren.
"Selbstverleger waren merkwürdig"
Die Frage 'Wie finde ich einen Verlag' habe sich längst gewandelt zu 'Ist ein Verlag für mich der richtige Weg', so Tischer. Die Autoren haben sich seiner Beobachtung nach professionalisiert. "Selbstverleger waren früher eher merkwürdige Menschen mit Texten über die Verbesserung der Welt und literarisch nicht sonderlich wertvoll. Dass die bei Verlagen abgelehnt wurden, wunderte nicht." Ganz anders die neue Generation von Autoren, die sich enger am Publikum orientierten. "Sie wissen, wie man schreiben muss, um damit Geld zu verdienen."
Eine Literatur, orientiert am Leser und jenseits von streng literarischem Wert? "Ich habe das ähnlich beobachtet. Ein Roman wie 'Der Hundertjährige, der aus dem Fenster stieg und verschwand', ein Bestseller dieses Jahres, wäre aus der reinen Self-Publisher-Szene heraus nicht möglich gewesen." Dort überwögen weiterhin der Vampirroman, Krimi, Thriller und aktuell die Erotikschiene. "Titel, die auf die breite Masse zielen, nach dem Motto: kauf ich, les' ich, pack ich weg", so Tischer. Werke also, die nicht zwingend für das Bücherregal eines Literaturkritikers geeignet sind.
Amazon als Self-Publishing-Plattform
Der Online-Händler Amazon macht es den Selbstverlegern auf den ersten Blick denkbar einfach. Eine Textdatei hochzuladen genügt, tags darauf ist diese in der Regel schon freigegeben und online. Autoren müssen nicht in Vorleistung treten, sondern verdienen mit dem ersten verkauften E-Book Geld. Ein Testlauf ohne Risiken. "Vielleicht haben sie dann nach einem halben Jahr auch nur zwei Exemplare verkauft" - so nämlich sehe die Wirklichkeit vieler Autoren aus, erklärt Tischer. Autoren gehen mit dem Internetmulti keine vertragliche Bindung ein. Der Autor kann sein E-Book jederzeit wieder aus dem Angebot entfernen. All das ist sehr einfach, das Konzept ist Tischers Meinung nach auch so aufgegangen. Wer sich entscheide, seinen Titel zu einem Downloadpreis von 2,68 bis 9,99 anzubieten, wird zu 70 Prozent an den Tantiemen beteiligt - abzüglich einer geringen Download-Gebühr. Wer einen Preis unter- oder oberhalb dieser Spanne wählt, erhalte nur 35 Prozent. "Ein klares Steuerungsinstrument. Amazon will, dass die meisten Titel in diesem Preisbereich liegen und damit günstiger sind als viele E-Books anderer Verlage."
Tipp: Fragen vorab klären
So einfach all das ist - informieren sollte sich jeder veröffentlichungswillige Autor vorab: Ist es sinnvoll oder sogar notwendig, den Titel zu schützen, muss ein Pflichtexemplar an die Deutsche Nationalbibliothek abgegeben werden, wie müssen Gewinne versteuert werden? Nur einige der üblichen Fragen, weiß Tischer. Beratungsangebote gibt es online und gedruckt im Buchhandel. "Viele Autoren investieren neben dem Cover vor allem in ein Lektorat. Wenn es gut ist, kann das wiederum mehrere hundert Euro kosten. Sichern kann das den Erfolg natürlich auch nicht. Es ist Abwägungssache, die Literatur bleibt unberechenbar."
Dagegen versuchen manche Autoren und ihre Unterstützer zum Teil auch mit unlauteren Mitteln anzugehen. "Mittlerweile gibt es Lesernetzwerke, die ihre Rezensionen gegenseitig als hilfreich einstufen", sagt Tischer. So sei aktuell unter den Rezensenten des Kindle-Buches "Ausradiert - Nicht ohne meine Tochter" von Andreas Adlon ein Streit entbrannt. "In der Szene wird mit harten Bandagen gekämpft." Und all das für die Sichtbarkeit unter tausenden von konkurrierenden Angeboten und im Ergebnis eine gute Listung innerhalb der Downloadcharts.
Alternative: Print-on-Demand
Gibt es für Selbstverleger also Alternativen zu Amazon? Wer dort veröffentlicht, richtet sich nämlich ausschließlich an Kindle-Besitzer oder User von Kindle-Apps. Eine Alternative kann Print-on-Demand sein - Angeboten von Dienstleistern wie Epubli.de oder Bod.de. Das eigene Buch wird dort erst bei Bedarf produziert also auch gedruckt, das bedeutet: die digitale Druckvorlage wird beim Anbieter hinterlegt und für den Verkauf durch Buchhändler gelistet. Beide Dienstleister bieten auch E-Books an, die dann im Apple iBookStore und bei Amazon gelistet werden können, Epubli kooperiert außerdem mit den Plattformen Google Play oder Kobobook.de. Zubuchbar sind bei diesem Anbieter auch unterschiedliche Service-Optionen wie Lektorat oder Marketing. Die Berechnung von eigenen Kosten und möglichen Gewinnanteilen ist allerdings deutlich komplizierter als bei Amazon. Wolfgang Tischer rät, die Kosten eines Dienstleisters und die an den Vertrag geknüpften Verpflichtungen genau zu prüfen.
Verlage reagieren mit neuen Angeboten
Wie reagieren Verlage auf die Konkurrenz? "Verlage müssen sich ansehen, warum Autoren die Möglichkeiten des Self-Publishings nutzen und müssen Autoren zukünftig unbedingt einen guten Rundum-Service bieten, um konkurrenzfähig zu bleiben", erklärt Rita Bollig, sie leitet die Lübbe-Verlagsabteilung Bastei Entertainment und ist damit auch zuständig für E-Publishing. Bei Bastei-Lübbe in Köln fragte man sich deshalb "was die Leser, die sich für digitales Lesen interessieren, wichtig ist". Und was ist den Lesern und User nach Verlagsansicht wichtig? Bollig: "Gelesen wird unterwegs, zum Beispiel in der Bahn, dafür eignen sich auch Serien sehr gut." Die im Oktober 2011 gestartete Webnovel "Apocalypsis", ein Thriller, der im Vatikan spielt, erschien als App, als E-Book, als Read & Listen-Version (damit kann man beliebig zwischen Lesen und Hören wechseln) und als Audio-Download. Die weibliche Zielgruppe meldete sich, so Bollig, und wünschte sich digitale Geschichten, die sich thematisch an erfolgreichen Fernsehserien und Telenovelas orientierten. Derzeit probiere man einfach viel aus, erklärt die E-Publishing-Expertin, Anfang 2012 startete der Verlag offiziell mit dem rein digitalen Programm "Digital First". Nach dem Vorbild von "Apocalypsis" erscheinen bald auch weitere Titel.
Für den Leser: Onleihe und Flatrates
Auch an einem Online-Abo-System arbeite man für 2013, sagt Rita Bollig, kann aber noch keine weiteren Informationen geben. Flatrates für Bücher analog etwa zu Musikstreaming-Diensten wie Spotify sucht man derzeit weitgehend vergeblich. Ein begrenztes Angebot bietet die die mobile Online-Bibliothek Skoobe.de. Auch viele öffentliche Bibliotheken bieten Online-Ausleihe, kurz Onleihe an. Die dort geliehenen elektronischen Bücher können allerdings nur eingeschränkt auf portablen Readern gelesen werden.