Mann im Gegenlicht vor Opelwerk

Arbeitspsychologe bewertet Opel-Sanierung

"Die Engagierten trifft es besonders hart"

Stand: 05.11.2009, 06:00 Uhr

General Motors will Opel sanieren. Wieder stehen die Opelaner vor einer ungewissen Zukunft: Seit über einem Jahr bangen die Mitarbeiter des Autobauers um ihre Arbeitsplätze. Solche Arbeitsverhältnisse können krank machen.

Am Donnerstag (05.11.2009) protestieren die Opel-Mitarbeiter in Bochum gegen die Entscheidung von General Motors, Opel zu behalten und zu sanieren. Doch ob ihr Protest bei den Entscheidungsträgern Gehör findet, ist zweifelhaft. Was bedeutet die Sorge um den Arbeitsplatz und eine ungewisse Zukunft für die Beschäftigten? Arbeitspsychologe Prof. Dr. Klaus-Helmut Schmidt vom Institut für Arbeitsforschung der TU Dortmund weiß, was das Gefühl des Ausgeliefertseins für Folgen haben kann.

WDR.de: Seit über einem Jahr bangen die Opel-Mitarbeiter um ihre Jobs. Was bedeutet das für die Menschen und für deren Arbeitsleistung?

Klaus-Helmut Schmidt: Zurzeit ist ein breites Segment unserer Gesellschaft davon betroffen: Opel-Mitarbeiter, Quelle-Beschäftigte und andere. Viele Firmen wechseln gerade den Besitzer, was meist Umstrukturierungen zur Folge hat. Das kann bei den Mitarbeitern ein Gefühl der Unsicherheit auslösen. Aus der Forschung wissen wir, dass das nicht nur das persönliche Wohlbefinden beeinträchtigen, sondern auch zu psychosomatischen Beschwerden und sogar zu bestimmten Krankheitsbildern führen kann. Die Gefühle der Hilflosigkeit und des Ausgeliefertseins können zu Depressionen führen - aber da reagiert jeder Mensch anders.

WDR.de: Welche Menschen trifft es denn besonders hart?

Schmidt: Das sind oft diejenigen, die eine starke Bindung zur Arbeit haben. Eigentlich sind das die Menschen, von denen ein Unternehmen am meisten profitiert. Da ist die Tragik: Es sind die, die sich am meisten engagieren, die jetzt am meisten leiden.

WDR.de: Da ist es verständlich, wenn die Betroffenen kaum noch Lust haben, zur Schicht zu gehen...

Schmidt: Viele Arbeitnehmer - und das ist auch spezifisch für Opel - zwingen sich dazu, trotzdem Leistung zu bringen. Sie haben große Angst vor einer Entlassung und Krankgeschrieben werden steht außer Frage. Wenn die Situation schlimmer wird, verstärken sie den inneren Zwang. Das schaukelt sich dann hoch, bis der Betroffene nicht mehr kann.

WDR.de: Was können die Betroffenen tun, um sich zu motivieren?

Monteur arbeitet an Modell Zafira im Opel-Werk Bochum

Montage am Zafira in Bochum

Schmidt: Man kann gewisse Formen der Gelassenheit entwickeln. Das hat aber seine Grenzen. Wenn eine ganze Familie von einem Einkommen abhängig ist, wenn an dem eigenen Schicksal also auch noch weitere hängen, dann fällt es fast jedem schwer, gelassen zu sein. Andererseits gibt es entsprechende Untersuchungen, die zeigen, dass soziale Netzwerke auch Kraft geben können; das kann die Familie sein, Freunde, Vereine, die Gewerkschaft oder die Kirche.

WDR.de: Für ein Unternehmen kann es doch nicht wünschenswert sein, wenn sich die Arbeiter so im Stich gelassen fühlen?

Schmidt: Das hat Konsequenzen für ein Unternehmen. Beispielsweise erhöht sich die Anfälligkeit für Krankheiten, dadurch auch die Fehlzeiten und das hat mit der Zeit auch Einfluss auf die Produktivität. Ganz zu schweigen, von dem Image-Schaden.

WDR.de: Wenn es eine positive Lösung für den Bochumer Opel-Standort gibt - ist es den Mitarbeitern dann überhaupt möglich, mit der alten Kraft weiterzuarbeiten?

Schmidt: Wenn ein Arbeitnehmer wieder im so genannten "sicheren Hafen" ankommt, dann ist er dennoch geprägt durch die Erfahrung aus der Krisenzeit. Viele Arbeiter verlieren das Misstrauen dann nicht mehr. Früher gab es Job-Sicherheiten die über Generationen gingen - beispielsweise bei Hoesch, da haben der Großvater, der Sohn und der Enkel gearbeitet. Das gibt Kontinuität und Sicherheit. Heute glaubt kaum noch jemand, dass sein Job auf Dauer sicher ist.

Das Interview führte Katrin Schlusen.

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