Porträt einer schuldenfreien Stadt

Langenfeld: Nichts zu verschenken

Stand: 07.12.2011, 06:00 Uhr

Weit und breit kein Schlagloch in Sicht: Auch sichtlich heruntergekommene Straßenzüge oder ramponierte Spielplätze sucht man in Langenfeld vergeblich. Die 60.000-Einwohner-Stadt bei Leverkusen ist nach Jahren des Sparens schuldenfrei - und will es auch bleiben.

Von Andreas Poulakos

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Nein, reich sei Langenfeld nicht, winkt Bürgermeister Frank Schneider (CDU) ab. Im Vergleich zu den meisten anderen Kommunen in Nordrhein-Westfalen sei die Stadt allerdings "gut aufgestellt", räumt er ein. Während andernorts Schwimmbäder und Schulen geschlossen werden, baut Langenfeld neue Kindergärten, hält seine Sportstätten in Schuss und senkt die ohnehin schon niedrigen städtischen Gebühren. In den zwei neuen Einkaufszentren rund um das Rathaus läuft das Weihnachtsgeschäft auf vollen Touren. Die Kunden aus dem Umland schätzten die zahlreichen Parkhäuser, in denen die erste Stunde nichts kostet. Und schließlich hätten sich rund 1.800 mittelständische Unternehmen hier niedergelassen, angelockt von niedrigen Gewerbesteuersätzen und guter Infrastruktur. "Das ist ein guter Branchenmix", sagt Schneider, "auch in Krisenzeiten bleibt der stabil."

Stadt war einst selbst hoch verschuldet

Noch vor 30 Jahren hatte Langenfeld selbst tief in der Krise gesteckt. Mannesmann und die Textilindustrie zogen sich aus der Stadt zurück, Tausende Arbeitsplätze gingen verloren. Als der neue Stadtkämmerer Winfried Graw 1986 sein Amt antrat, waren die Schulden auf umgerechnet 38 Millionen Euro angewachsen. In seiner ersten Haushaltsrede mahnte Graw die Politiker zur Verantwortung gegenüber den kommenden Generationen – und zum Sparen. "Es war eine ständige Auseinandersetzung mit der Politik", erinnert sich Graw, "aber zum Schluss haben alle mitgemacht." Bis 2004 arbeitete Graw als Kämmerer an seinem Projekt, der Entschuldung der Stadt. Stellen wurden gestrichen, die Verwaltung verschlankt, alle nicht unbedingt nötigen Projekte vertagt. "Ich habe beim Haushalt immer zuerst kalkuliert, welche Einnahmen wir haben. Und dann erst über Investitionen geredet. Nicht umgekehrt", fasst Graw sein simples Erfolgsrezept zusammen. Jedes Jahr konnte so ein Überschuss erwirtschaftet werden, der zur Schuldentilgung eingesetzt wurde. Am 3. Oktober 2008 hatte die Stadt es geschafft, Langenfeld war schuldenfrei.

Hilfen für arme Kommunen ohne Wirkung

"Manche sagen, wir hätten einfach von unserer günstigen Lage im Speckgürtel zwischen Köln und Düsseldorf profitiert", sagt Bürgermeister Schneider. "Das ist Unsinn. Sonst müsste es unseren Nachbargemeinden allen gut gehen." Tatsächlich sei die gute finanzielle Lage der Stadt ein Gemeinschaftserfolg der Bürger, die über 20 Jahre lang auf jedes Extra verzichtet hätten. Von dem neuen Konzept der Landesregierung zur Sanierung der Kommunalfinanzen hält Schneider nichts. "Die Gelder, die jetzt an arme Kommunen fließen sollen, sind nur ein Tropfen auf dem heißen Stein." Das wahre Problem liege darin, dass immer neue Aufgaben von Bund und Land auf die Kommunen abgewälzt würden, die aber alle nicht durchfinanziert seien. Hinzu kämen Missmanagement in den Kommunen und das Fehlen einer Kommunalaufsicht, die diesen Namen auch verdiene. "Das Land verbrennt Geld. Jede Kommune muss sich selbst auf ihre Stärken besinnen, um aus der Verschuldung herauszukommen."

Drei schlechte Jahre in Folge

Auch Kämmerer Detlev Müller glaubt nicht, dass es ein "Langenfelder Modell" gibt, das auf andere Kommunen übertragbar wäre. "Höchstens: Gib nicht mehr aus, als Du einnimmst. Aber das weiß doch jede Hausfrau von alleine." Zurzeit kann er diese eherne Regel seines Vorgängers Graw nicht einhalten: Zum dritten Mal in Folge wird er einen Haushalt in den Rat einbringen, der nicht ausgeglichen ist. "Für Langenfeld ist das schon sehr ungewöhnlich", sagt Müller. "Aber es gibt noch genug Rücklagen aus besseren Zeiten. Wir sollten damit die Durststrecke überstehen." Allerdings werde die Stadt von der Gemeinschaft auch stark in Anspruch genommen, zum Beispiel durch den kommunalen Finanzausgleich. Um die Einnahmen einer Kommune einzuschätzen, werde ein fiktiver Gewerbesteuerhebesatz zugrunde gelegt. Sind die realen Gewerbesteuern wie in Langenfeld niedriger, werden die Einnahmen der Kommune höher bewertet als sie in Wirklichkeit sind. "Das heißt, wir zahlen Abgaben für Steuern, die wir gar nicht einnehmen."

Klage gegen Soli-Beitrag angekündigt

Auch deshalb will sich Langenfeld gegen eine mögliche weitere Solidaritätsumlage wehren, mit dem finanzstarke Städte nach dem Willen der rot-grünen Landesregierung ab 2014 den armen Kommunen helfen sollen. "Warum sollen wir dafür bezahlen, dass andere ihre Hausaufgaben nicht gemacht haben?", fragt Bürgermeister Schneider. Im Extremfall müsste Langenfeld dann zehn Millionen Euro zahlen, sieben Jahre lang. "Das ist mehr, als wir jemals selbst an Schulden hatten." Die Stadt werde gegen eine solche Entscheidung klagen. "Oder sollen wir vielleicht dafür neue Kredite aufnehmen?"

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