Verschleierte Frau

Rektor sieht Schulfrieden gestört

Die Schule, die Burka und der Verweis

Stand: 28.04.2006, 16:28 Uhr

An der Bertolt-Brecht-Gesamtschule in Bonn-Tannenbusch gibt es am Freitag (28.04.2006) nur ein Thema: Der vorübergehende Verweis zweier Schülerinnen. Sie waren im Vollschleier (Burka) erschienen.

Von Rainer Kellers

In Gruppen stehen die Schüler auf dem Schulhof und in den Fluren der Gesamtschule zusammen und tauschen sich über den Schulverweis der beiden 18-jährigen Mädchen aus. Diese gehen in die elfte Klasse der gymnasialen Oberstufe, stammen aus der Türkei und Marokko, sind in Deutschland groß geworden. Mitschüler erzählen, eines der Mädchen habe sich "wie eine Deutsche und sehr sportlich" gekleidet, das andere Kopftuch getragen, aber nicht das Gesicht verhüllt. Nach den Osterferien jedoch kamen am Montag (24.04.06) beide plötzlich in der Burka, dem muslimischen Ganzkörpergewand, zur Schule.

"Belastung von Mitschülern und Lehrern"

Wie am Freitag (28.04.2006) bekannt wurde, entschloss sich daraufhin Rektor Ulrich Stahnke, die Mädchen vom Unterricht auszuschließen. "Es geht nicht um das Tragen religiöser Symbole", betonte Stahnke. Vielmehr könnten die jungen Frauen in dieser Kleidung nicht sachgerecht am Unterricht teilnehmen. Bei Prüfungen sei eine Leistungsüberprüfung nicht möglich, weil man nicht erkennen könne, wer wirklich unter dem Schleier stecke.

Ein weiteres Argument: Das Auftreten der beiden Schülerinnen habe zu einer psychischen Belastung von Mitschülern und Lehrern geführt. "Der Schulfrieden ist gestört", sagte ein Lehrer, der namentlich nicht genannt werden wollte. Das Vorgehen des Rektors war mit der Bezirksregierung Köln abgesprochen. "Er hat dazu das Recht, wenn der Schulfrieden gestört ist. Das war hier eindeutig der Fall", sagte eine Sprecherin der Behörde.

"Die Burka ist ein Symbol der Unterdückung"

"Ich finde es richtig, dass die beiden zwei Wochen dem Unterricht fern bleiben müssen", sagt der 17-jährige Mustapha, der die beiden Mädchen gut kannte. "So etwas hat in der Schule nichts zu suchen, es ist übertrieben und provokant." Das findet auch Hevi. Sie ist 18 Jahre alt und stammt aus dem Nordirak. "Die Burka ist ein Symbol der Unterdückung", sagt sie. "Es ist schon komisch, so etwas in meiner Schule zu sehen." Jetzt plant Hevi, gemeinsam mit einigen anderen Schülern Unterschriften zu sammeln, und damit gegen das Auftreten der beiden Mädchen zu protestieren.

"Die sind doch die gleichen geblieben"

Wie Hevi und Mustapha denken viele der über 1.300 Schüler an der Bertolt-Brecht-Schule. Man habe hier Schüler aus 51 Nationen und jeder großen Religion, sagt ein deutscher Schüler, der ungenannt bleiben möchte. Die Schule sei tolerant, eine Burka gehe aber zu weit. Allerdings gibt es auch die Gegenmeinung. Vor der Schule steht eine Gruppe von sieben bis acht Mädchen, Freundinnen der beiden von der Schule Verwiesenen. Die meisten tragen Kopftücher. Sie diskutieren lautstark mit anderen Schülern. Die Anspannung ist allen deutlich anzumerken. "Die sind doch die gleichen geblieben", erregt sich eine der Schülerinnen. Mit Extremismus oder Fundamentalismus habe die Entscheidung, Burka zu tragen, nichts zu tun. Es sei der freie Wille der beiden Mädchen gewesen. Weder die Eltern noch sonst jemand habe sie dazu gezwungen.

Eine andere Schülerin sagt, dass die beiden als gläubige Musliminnen lediglich ihre Überzeugungen zeigen wollten. Der Schule werfen die Freundinnen vor, überreagiert zu haben. Der Rektor habe den beiden Mädchen nicht einmal die Gelegenheit gegeben, sich zu erklären. "Das ist Unterdrückung." Eine Sprecherin der Bezirksregierung erklärt dagegen: "Von Seiten der Schule hat es wiederholt Gesprächs- und Beratungsangebote gegeben, die leider bislang nicht angenommen wurden". Deshalb trage die Behörde den Schulverweis mit.

Für zwei Wochen vom Unterricht ausgeschlossen

Auch Bundestagsvizepräsident Wolfgang Thierse (SPD) verteidigte die Entscheidung des Schulleiters. "Die Schule reagiert richtig und angemessen auf eine kulturelle Provokation, die von diesen Schülerinnen wohl so gemeint ist", sagte Thierse den "Stuttgarter Nachrichten". Die Schule dürfe nicht zulassen, "dass sich zwei Schülerinnen unsichtbar machen und sich der Kommunikation zwischen Menschen demonstrativ entziehen".

Die Betroffenen selbst waren am Freitag nicht zu sprechen. Die Schulleitung hält ihre vollen Namen und Adressen aus Rücksicht auf die Familien geheim. Auch der Anwalt der Mädchen gab zunächst keine Stellungnahme ab. Die Schülerinnen sind zunächst für zwei Wochen vom Unterricht ausgeschlossen, können aber jederzeit zurückkehren, wenn sie die Burka ablegen. Aber das, meinen ihre Freundinnen, werden sie so schnell nicht tun.