Banken stehen vor neuen Problemen

Auf Firmen rollt Pleitewelle zu

Stand: 16.07.2009, 06:00 Uhr

Die US-Investmentbank Goldman Sachs macht wieder Milliardengewinne. Ist die Finanzkrise also ausgestanden? Nein - und vor allem nicht für die deutschen Banken und Unternehmen, sagt Ulrich Ueckerseifer, Wirtschaftsredakteur beim WDR.

WDR.de: Die erste amerikanische Bank meldet wieder gute Zahlen - Goldman Sachs hat im zweiten Quartal 2009 knapp zwei Milliarden Euro verdient. Ist die Finanzkrise ausgestanden?

Ulrich Ueckerseifer: Man kann die guten Zahlen von Goldman Sachs nicht ohne weiteres auf andere Banken übertragen. Goldman macht diese hohen Gewinne nicht im klassischen Bankgeschäft, also mit Krediten an Unternehmen oder gar Privatpersonen, sondern im Handelsgeschäft mit Aktien und mit Anleihen. Das Geschäft mit Anleihen boomt, vor allem seit die Rettung des Finanzsystems es notwendig machte, dass Staaten und Notenbanken Milliarden in die Hand nahmen, um sie an notleidende Banken zu geben. Denn ein Staat oder eine Notenbank muss dafür ja selbst den Kapitalmarkt anzapfen, also Anleihen, sprich Schuldverschreibungen, ausgeben. Das kann der Staat aber nicht ohne die Hilfe einer Bank tun, und das war in vielen Fällen eben Goldman Sachs. Es ist skurril - Goldman Sachs verdient praktisch an der Rettung der eigenen Branche.

WDR.de: Haben die hohen Gewinne auch etwas mit den gelockerten Bilanzierungsregeln für Banken zu tun?

Ueckerseifer: Ja, und von dieser Lockerung profitieren alle Banken. Im groben bedeuten die neuen Bilanzierungsregeln, dass die Bank weniger Abschreibungen auf ihre Wertpapiere vornehmen muss als zuvor, und so mehr Gewinn ausweisen kann. Das sind aber Papiergewinne, da hat die Bank keinen einzigen Cent Geschäft gemacht. Vereinfacht könnte man sagen, Banken können durch die neuen Bilanzierungsregeln ihre Leichen im Keller lassen.

WDR.de: Wie sind die Aussichten für die restliche Bankenlandschaft, die nicht wie Goldman Sachs hauptsächlich Investmentbanking betreibt?

Ueckerseifer: Banken, die beispielsweise viel im Mittelstandsgeschäft sind - das heißt Kredite an Unternehmen geben - haben mit Problemen zu kämpfen. In Deutschland ist zu befürchten, dass im Herbst, also sechs bis neun Monate nach Übergreifen der Finanzkrise auf die Realwirtschaft, die Unternehmensinsolvenzen stark ansteigen: kurz, wir stehen vor einer Pleitewelle bei Firmen. Unternehmen, die pleite gehen, können aber auch ihre Bankkredite nicht mehr zurückzahlen. Das wird einige Institute vor Probleme stellen.

WDR.de: Welche Banken müssen sich besonders auf diese Pleitewelle gefasst machen?

Ueckerseifer: Eine Bank wie die Commerzbank, die stark im Mittelstand engagiert ist und dort viele Kredite ausgegeben hat, wird unter der Insolvenzwelle zu leiden haben. Womöglich wird weitere staatliche Hilfe nötig sein. Weiter leiden werden außerdem die Landesbanken, die ohnehin bereits stark angeschlagen sind. Auch auf die Sparkassen läuft diese Welle zu. Die deutsche Bank hingegen wird wohl noch am ehesten starke Zahlen präsentieren können, sie macht viel Geschäft im Investmentbanking, ähnlich wie Goldman Sachs.

WDR.de: Bedeutet das, dass die deutsche Wirtschaft im zweiten Halbjahr verstärkt mit einer Kreditklemme zu kämpfen haben wird?

Ueckerseifer: Ein Problem ist sicherlich, dass die Finanzkrise die deutsche Bankenlandschaft stark ausgedünnt hat, vor allem auch deshalb, weil sich viele ausländische Banken aus Deutschland zurückgezogen haben. Das heißt, es gibt insgesamt weniger Anlaufstellen für Unternehmen, die Kredite wollen. Im Moment ist es zwar so, dass viele Unternehmen wegen der Wirtschaftskrise ihre Investitionen, für die sie Kredite benötigen, noch auf die lange Bank schieben. Wenn allerdings im zweiten Halbjahr dieses Jahres die Zahl der Kreditausfälle bei den Banken stark steigt - und damit ist zu rechnen - stellt das die Banken vor neue Probleme. Die Institute sind dann gezwungen, noch restriktiver in der Kreditvergabe zu sein. Dann steht uns womöglich eine echte Kreditklemme ins Haus - nicht nur in der Form, dass Firmen für geliehenes Geld sehr hohe Zinsen zahlen müssen, sondern auch, dass sie gar keine Kredite mehr bekommen.

Das Interview führte Petra Blum.