Förderturm der Zeche Prosper Haniel vor Landschaft im Dunst

Altlasten des Bergbaus

Gefahr durch Gift in alten Zechen?

Stand: 14.07.2013, 16:17 Uhr

Der in den 1990er Jahren in RAG-Bergwerke gebrachte giftige Sondermüll ist möglicherweise nicht sicher. Dies berichtet der "Spiegel" unter Berufung auf ein neues Gutachten. Die rot-grüne Landesregierung zeigt sich besorgt. Umweltminister Remmel kündigt eine Untersuchung an.

Die RAG (frühere Ruhrkohle AG) hatte laut "Spiegel" in den 90er Jahren mehr als 600.000 Tonnen zum Teil hochgiftige Filterstäube und Asche aus Müll- und Sondermüllverbrennungsanlagen in über 800 Meter Tiefe verbracht. Der Sondermüll sei als "Wertstoff" behandelt worden. Die Verbringung in mehrere NRW-Zechen war vom Bergamt genehmigt worden, berichtete das Nachrichtenmagazin am Sonntag (14.07.2013).

Der Abfall sei zur Hohlraumverfüllung eingesetzt worden. Nach Angaben der RAG und der Bergaufsicht NRW wurde dazu ein aufwändiges und wissenschaftlich begleitetes Spezialverfahren gewählt, das einen Austritt von giftigen Stoffen wie Dioxin oder Schwermetallen völlig sicher ausschließe. Das sei auch durch Proben belegt worden. Eine Gefahr für Wasser oder Umwelt bestehe weder jetzt noch nach einem möglichen Anstieg des Grubenwassers.

Auffällige Werte bei Proben

Ein neues Gutachten schlägt aber nun Alarm. Besorgte Anwohner in Bergkamen hatten die Expertise bei dem Wasserfachmann und Ex-Abteilungsleiter im NRW-Umweltministerium Harald Friedrich in Auftrag gegeben. Friedrich bezweifelt, dass die in Tiefen eingebrachten Giftstoffe wirklich dicht abgeschlossen sind und tatsächlich nicht mit darüberliegenden Grundwasserschichten in Berührung kommen können. Die Anwohner befürchten spätestens mit dem von der RAG nach Abschluss des Bergbaus geplanten Grubenwasseranstieg eine Belastung ihrer Felder und Gewässer. Bereits jetzt seien bei Proben auffällige Werte festgestellt worden. Es sei aber unklar, ob sie auf den Bergbau zurückgingen. Der Gutachter meldet außerdem Zweifel an, ob die Müll-Einlagerung damals überhaupt hätte genehmigt werden dürfen.

Der nordrhein-westfälische Umweltminister Johannes Remmel (Grüne) will nun eine Überprüfung einleiten. "Wenn das Gutachten zutrifft, haben wir Anlass zu besonderer Aufmerksamkeit. Wenn giftige Stoffe an die Oberfläche gelangen, würde dies eine neue Risikodimension darstellen", sagte Remmel am Sonntag zu WDR.de. Es sei "daher sinnvoll und notwendig, systematisch zu überprüfen, welche Sondermüll-Einlagerungen wo stattgefunden haben und welche Gefahren davon heute und in Zukunft ausgehen". Zudem kündigte Remmel verstärkte Messungen auf mögliche Gift-Belastungen an.

Die Verbringung des Mülls "war sicher, ist sicher und bleibt sicher"

Der Bund für Umwelt und Naturschutz (Bund) hatte bereits vor mehr als 20 Jahren gegen die Einlagerung von Filterstäuben aus Hausmüll- und Verbrennungsanlagen in Bergwerken protestiert. Da ticke "eine Zeitbombe", warnte deren Experte Dirk Jansen gegenüber dem Magazin.

RAG-Sprecher Christof Beike wies die Kritik zurück. Die Verbringung des Mülls "war sicher, ist sicher und bleibt sicher", sagte der Sprecher auf WDR.de-Anfrage. Nach RAG-Angaben wurden zwischen 1991 und 2004 auf dem Bergwerk Haus Aden (Bergkamen) und später Walsum (Duisburg) über 600.000 Tonnen Reststoffe nach dem Prinzip des "vollständigen Einschlusses" verwertet.

Kohlehalde, Steinkohle

Kohlehalde aus Steinkohle

Das Füllen unter Tage wurde aus verschiedenen Gründen eingestellt: Unter anderem gab es weniger Reststoffe, und die erhoffte Verringerung von Bergschäden über Tage trat nicht ein. "Von den eingelagerten Stoffen gehen keine Risiken für die Umwelt aus", bekräftigte die RAG. Dies bestätigten regelmäßige Analysen des Grundwassers. Bei den für eine Verwertung zugelassenen Stoffen handelt es sich laut RAG um Kraftwerksrückstände, Rückstände aus der Stahl- und Zementproduktion, aus der Hausmüll- und Klärschlammverbrennung sowie um Altsande aus Gießereibetrieben.

Krater, Risse und Müll

2018 wird die noch verbliebene Steinkohle-Förderung in NRW eingestellt. Die Folgeschäden des Bergbaus dürften das Revier aber auf unabsehbare Zeit prägen. Das ganze Ruhrgebiet ist von unterirdischen Gängen und Stollen durchzogen. Da bekommt schon mal ein Haus Risse, wenn sich der Boden senkt. Manchmal brechen alte Gruben ein und lassen an der Oberfläche große Krater aufreißen. Weil das ganze Ruhrgebiet durch den Bergbau abgesackt ist, muss auch künftig weiter ständig Wasser aus den Schächten abgepumpt werden - andernfalls könnte sich die von über fünf Millionen Menschen bevölkerte Metropolenregion in eine Seenplatte verwandeln.

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