Neonazis Kundgebung in Dortmund

"Die Rechte" in NRW

Neue Partei für Neonazis breitet sich aus

Stand: 08.11.2012, 16:32 Uhr

Seit der Gründung der Landespartei "Die Rechte" im September 2012 hat die neue Organisation mehrere Kreisverbände in NRW gegründet. Neben Ex-Mitgliedern verbotener Kameradschaften sind auch NPD-Anhänger zu der neuen Partei übergelaufen. Die Staatsanwaltschaft Dortmund prüft mögliche Verstöße gegen ein Vereinsverbot.

Von Martin Teigeler

Von Anfang an hegten Politiker und Beobachter den Verdacht, dass der NRW-Landesverband der "Rechten" ein Sammel- und Auffangbecken für die im Sommer verbotenen Neonazi-Vereine in Dortmund, Hamm und Aachen werden soll. Dies scheint sich nun zu bestätigen.

Berüchtigter Parteichef in Dortmund

In Dortmund wählte der neue Kreisverband der Partei Ende Oktober 2012 den stadtbekannten Aktivisten Siegfried "SS Siggi" Borchardt zum neuen Kreisvorsitzenden. Der mehrfach unter anderem wegen Körperverletzungs-Delikten vorbestrafte Borchardt gilt als Schlüsselfigur der braunen Szene in Dortmund. Laut "Spiegel" war er einst Gehilfe des 1991 gestorbenen Extremistenführers Michael Kühnen. In den frühen 80ern gründete er die "Borussenfront", ein Zusammenschluss von rechtsextremen BVB-Fans, der offenbar noch immer auf den Tribünen aktiv ist.

1995 musste Borchardt als nordrhein-westfälischer Landesvorsitzender zusehen, wie die von ihm und Kühnen bestimmte neonazistische Freiheitliche Deutsche Arbeiterpartei (FAP) verboten wurde. Seit Anfang 2000 war Borchardt in der Kameradschaft "Nationaler Widerstand Dortmund" aktiv. Nachdem die Kameradschaft Ende August 2012 verboten wurde, ist der auf die 60 zugehende "Veteran" Borchardt nun bei "Die Rechte" dabei. Bundesparteichef Christian Worch kennt er seit langen Jahren. Der Bundesverband "Die Rechte" war im Frühjahr von Worch bei einem konspirativen Treffen in Hamburg gegründet worden.

Bislang fünf Kreisverbände in NRW

Christian Worch

Bundesparteichef Worch

Auch in anderen NRW-Kommunen breitet sich die neue Partei aus. "Zeitgleich zur Gründung der Dortmunder Untergliederung gab es ebenfalls regionale Verbandsgründungen in Hamm, Mülheim (Ruhr), dem Münsterland und dem Rhein-Erft Kreis", teilte "Die Rechte" auf ihrer Website mit. Es sei "vorgesehen, die Zusammenarbeit mit bestehenden Strukturen in Nordrhein-Westfalen (und darüber hinaus) weiter zu intensivieren, wobei Gruppen- und Parteizugehörigkeit sekundär sein sollte". Auf der Facebook-Seite der Mülheimer Ortsgruppe wird bereits gegen Sinti und Roma gehetzt. Zudem finden sich verharmlosende Beiträge über Hitler-Deutschland.

Auf Landesebene sitzen im Vorstand von "Die Rechte" viele Mitglieder der beiden aufgelösten Vereine "Nationaler Widerstand Dortmund" und "Kameradschaft Hamm" wieder. Sie waren am 23. August 2012 im Rahmen breit angelegter Razzien gegen rechtsextreme Netzwerke zusammen mit der "Kameradschaft Aachener Land" verboten worden. Vorsitzender des Landesverbands von "Die Rechte" ist Dennis Giemsch, der wie sein Stellvertreter Michael Brück aus den Reihen des "Nationalen Widerstands Dortmund" stammt. Ein weiteres Vorstandsmitglied ist Sascha Krolzig, er gilt als der ehemalige Anführer der "Kameradschaft Hamm". Der 25-jährige Jura-Student Krolzig ist nun "Rechte"-Kreischef in Hamm.

Experte sieht "Tarnorganisation"

Der Rechtsextremismus-Experte und Autor Andreas Speit hält "Die Rechte" für eine Konkurrenz zur NPD. "In NRW war zu erwarten, dass sich Kameradschafts-Mitglieder nach den Verboten anderen Organisationen anschließen", sagte Speit am Donnerstag (08.11.2012) zu WDR.de. "'Die Rechte' gibt sich zwar programmatisch moderat, ist aber offen für militante Neonazis." Wie sich die Partei entwickeln werde, sei derzeit noch völlig unklar.

Alexander Häusler, Sozialwissenschaftler und wissenschaftlicher Mitarbeiter des Forschungsschwerpunktes Rechtsextremismus der Fachhochschule Düsseldorf

Rechtsextremismus-Forscher Alexander Häusler

Der Neonazi-Forscher Alexander Häusler von der Fachhochschule Düsseldorf sagte: "Das ist offensichtlich eine Tarnorganisation. Hier werden legale Strukturen geschaffen, um die verbotenen Kameradschaften zu ersetzen." Neonazis machten in der "Rechten" keine aktive Parteipolitik. "Es geht um taktische Spielchen, um mit dem Mittel des Parteienrechts weitere Verbote zu umgehen", sagte Häusler. "Inhaltlich gibt sich die 'Rechte' rechts bis rechtspopulistisch. Personell kommen da seit Jahrzehnten vernetzte radikale Neonazis zusammen. Personal und offizielle Programmatik widersprechen einander", analysierte der Wissenschaftler.

Behörden prüfen Sanktionen

Das NRW-Innenministerium prüft nach Angaben eines Sprechers, ob es sich bei den Parteigliederungen um illegale Ersatzorganisationen der verbotenen Kameradschaften handelt. Auch die Staatsanwaltschaft Dortmund hat Vor-Ermittlungen eingeleitet, wie ein Sprecher sagte: "Wir prüfen, ob ein Verstoß gegen das verhängte Vereinsverbot vorliegt." In diesen Tagen wird die Partei in die Liste des Bundeswahlleiters aufgenommen. Ob sie dann wie geplant auch zur Europawahl 2014 antreten darf, entscheidet der Bundeswahlausschuss. Falls "Die Rechte" als Partei anerkannt werden sollte, wird ein Verbot schwierig - dies zeigt das Beispiel NPD.

Die Grünen-Politikerin Verena Schäffer sagte, dass die Köpfe der verbotenen Kameradschaften nun bei der "Rechten" auftauchten, deute "auf ein Auffangbecken für die gewaltbereiten Neonazis" hin. "Deshalb muss das Land jetzt ausloten, ob und wie gegen die neue Partei vorgegangen werden kann. Ich erinnere daran, dass 1995 mit der FAP schon einmal eine rechtsextreme Partei mit den Mitteln des Vereinsrechts verboten wurde", sagte die Landtagsabgeordnete.

Überläufer von der NPD

Springerstiefel

Im Rhein-Erft-Kreis führt der Ex-NPD-Politiker Markus Walter die Partei an. "Unser Hauptaugenmerk liegt nun zunächst einmal darauf, uns im Kreis bekannt zu machen, den Bürgern unsere Anliegen näherzubringen und neue Mitstreiter zu finden, um dann mittelfristig die verbrauchten Altparteien ablösen zu können und in unserem Landkreis rein an deutschen Interessen orientierte Politik durchzusetzen", hieß es in einer Mitteilung. Auch in Mülheim sollen frühere NPD-Anhänger zur "Rechten" übergelaufen sein.

Nicht in der ganzen Neonazi-Szene stößt die neue Partei auf Interesse. Trotz Verbots der "Kameradschaft Aachener Land" ist in Aachen anders als in Hamm und Dortmund bisher kein Kreisverband der "Rechten" entstanden. Laut Polizei schlossen sich einzelne Neonazis aus der Region statt dessen der "Kameradschaft Alsdorf Eupen (KAE)" an. Dieser Gruppe gehören auch rechtsradikale Fans des Drittliga-Fußballclubs Alemannia Aachen an. Wie eine Polizeisprecherin sagte, wird derzeit ein Verbot der "KAE" geprüft.

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