Neue Theorie zur Enschede-Katastrophe
Vorwürfe gegen die Feuerwehr
Stand: 07.05.2010, 14:54 Uhr
Kurz vor dem zehnten Jahrestag der Katastrophe in Enschede gibt es eine neue These: Nicht Brandstiftung sondern ein Betriebsunfall könnte demnach die Ursache der Explosion in der Feuerwerksfabrik mit 23 Toten gewesen sein.
Am 13. Mai 2000 waren auf dem Gelände der Firma S. E. Fireworks in der niederländischen Stadt mehr als 100 Tonnen Feuerwerk explodiert. Die Bilanz der Katastrophe: 23 Tote, mehr als 950 Verletzte, 400 zerstörte Häuser und Wohnungen, über eine Milliarde Gulden Sachschaden. Der Stadtteil Roombek existierte quasi nicht mehr. Wodurch das Feuer auf dem Werksgelände ausgelöst wurde, das die fatale Kettenreaktion ausgelöst hatte, ist bis heute ungeklärt.
Neue Zeugin aufgetaucht
Nun wollen Journalisten des niederländischen TV-Senders RTV Oost die Ursache für die Katastrophe aufgedeckt haben. Sie stützen sich dabei auf eine neue Zeugin, die mit einem der beiden Fabrikbetreiber verwandt ist. Ihrer Aussage zufolge sollen sich ihr Verwandter und vier weitere Personen vor der Explosion auf dem Fabrikgelände aufgehalten haben. Das hatten die Betreffenden bisher bestritten. Sie hätten außerdem an einem Regal mit Feuerwerk gearbeitet, sagt die Zeugin. Die Journalisten vermuten, dass bei diesen Arbeiten ein Brand ausgebrochen war, der von der anrückenden Feuerwehr rasch gelöscht werden konnte. Während dieses Einsatzes müsse sich ein zweiter Brandherd gebildet haben, der auf die nahe gelegenen Bunker übergegriffen habe.
Standen Bunkertüren offen?
Die Arbeit der Feuerwehrleute könnte für die spätere große Explosion sogar mitverantwortlich gewesen sein, so die Theorie der niederländischen Dokumentation. Möglicherweise könnten die Einsatzkräfte mehrere Türen der Feuerwerksbunker geöffnet haben, um nach weiteren Brandnestern zu suchen. Die Kombination aus offenen Bunkertüren und einer hohen Gaskonzentration von bereits abgebranntem Feuerwerk hätten demnach die Katastrophe ausgelöst. Zusätzlich soll mehr und explosiveres Material als zulässig in schlecht gesicherten Bunkern zum Ausmaß der Katastrophe beigetragen haben.
Ermittler nehmen neue Hinweise ernst
Nach Aussage der Journalisten wurde die Feuerwehr nach dem Unglück kaum befragt - aus Rücksicht: Bei der Explosion waren auch vier Feuerwehrleute ums Leben gekommen. Unterlagen über die Aussagen von Feuerwehrleuten sollen zudem verschwunden sein. Ihre Rechercheergebnisse haben die Journalisten Rob Vorkink und Frans Strikker bereits an die Behörden weitergeleitet. Polizei und niederländische Generalstaatsanwaltschaft nehmen die neuen Hinweise nach eigener Aussage sehr ernst, wollen sich aber frühestens in der kommenden Woche äußern.
In Untersuchungsberichten und Prozessen wurde die Verantwortung für das Unglück bisher den Behörden wegen mangelnder Aufsicht und der Fabrikdirektion zugeschrieben. Polizei und Staatsanwalt hatten zunächst geglaubt, den Brandstifter gefunden zu haben. Der Mann wurde im Berufungsverfahren vor Gericht jedoch freigesprochen - aus Mangel an Beweisen.