Kurioser Fall beschäftigt Düsseldorfer Justiz

Falschen Zwilling erwischt?

Stand: 21.10.2015, 14:58 Uhr

Im Sommer verurteilte das Düsseldorfer Amtsgericht einen mutmaßlichen Einbrecher zu einer Bewährungsstrafe - obwohl der behauptete, sein Zwilling habe die Taten begangen. Dessen Verteidiger wies nun nach, dass es tatsächlich einen eineiigen Zwillingsbruder mit fast identischer DNA gibt. Welcher Zwilling war´s? Ein Spezialgutachten könnte nun Klarheit bringen.

Von Peter Hild

Die eineiigen Zwillinge Boris und Alexander C. stellen die Düsseldorfer Justiz vor eine ungewöhnliche Aufgabe. Boris C. war im Sommer vor dem Amtsgericht wegen vier Wohnungseinbrüchen zu 13 Monaten Haft auf Bewährung verurteilt worden. In allen Fällen hatte der Täter die gleiche DNA hinterlassen. Das Gericht glaubte dem Angeklagten nicht, der einen Zwillingsbruder als wahren Einbrecher anführte. Der Verurteilte ging daraufhin in Berufung vor dem Landgericht. Inzwischen hat das serbische Generalkonsulat bestätigt, dass Boris C. tatsächlich einen eineiigen Zwillingsbruder hat. Das Verfahren ist nun vorerst ausgesetzt worden.

DNA-Zuordnung besonders aufwändig

DNA-Spuren bei eineiigen Zwillingen zweifelsfrei zuzuordnen, ist für die Wissenschaft eine besondere Herausforderung. Nach Angaben des Gerichts gibt es bundesweit nur ein einziges Fachinstitut, das überhaupt in der Lage sei, solche DNA-Spuren zu unterscheiden. Diese Untersuchung würde allerdings rund 60.000 Euro kosten. „Um einzelne Unterschiede herauszufinden, muss das komplette Erbgut beider Zwillinge analysiert werden, was sehr komplex ist“, erklärt Frank Tschentscher, DNA-Sachverständiger beim Landeskriminalamt NRW. Die Kriminaltechnik sei heutzutage darauf ausgelegt, in der Regel 16 verschiedene Bereiche des Erbgutes zu untersuchen. Bei einem kompletten Erbgut müssten dagegen etwa drei Milliarden Bereiche analysiert werden.

Gericht muss Möglichkeiten abwägen

Das Verfahren gegen Boris C. einstellen oder die teure Untersuchung veranlassen – das Landgericht muss nun beide Optionen abwägen. Denn der verurteilte Boris C. muss sich auch noch in einem weiteren Fall vor einer anderen Strafkammer verantworten. Dort wird ihm Kreditbetrug mit mehreren Komplizen vorgeworfen, wofür er wahrscheinlich eine höhere Strafe zu erwarten hätte. Würde das Einbruchsverfahren eingestellt, würde Boris C. in dem weiteren Fall als „nicht vorbestraft“ gelten. Das Gericht könnte sich jedoch dafür entscheiden, weil bei einer möglichen mehrjährigen Freiheitsstrafe im Betrugsverfahren die bereits verhängte Bewährungsstrafe für die Einbrüche nicht mehr ins Gewicht fiele.