Stichtag

17. August 2000 - UMTS-Lizenzen versteigert

Die Unterkunft der Mobilfunk-Bosse ist spartanisch. Die Regulierungsbehörde hat sie und ihre Vertreter zur Jahrtausendwende in einer ehemaligen US-Kaserne in Mainz streng voneinander abgeschirmt. Jeder Gang zur Toilette muss vorher angemeldet werden.

Die Hochsicherheitstrakt-Atmosphäre passt zum milliardenschweren Anlass, aus dem die Telefonie-Giganten zusammengekommen sind. Immerhin geht es um sechs Lizenzen für den international dritten Mobilfunkstandard "Universal Mobile Telecommunikations System" (UMTS), der mit seinen Gigabite-Übertragungsraten schnelles Internet, E-Commerce und Bildübertragung in Sekundenschnelle, also: eine rosige Zukunft auf dem heiß umkämpften Telekommunikationsmarkt verspricht. Diese Lizenzen sollen nun versteigert – und geheime Absprachen im Vorfeld verhindert – werden.

Schulden tilgen, Schulden machen

"Das Internet hat unseren Alltag verändert. UMTS wird das Internet verändern". So unterfüttert Sigmar Moosdorf, damals Staatssekretär im Bundeswirtschaftsministerium, die Begehrlichkeiten. Die Mobilfunkbetreiber schlucken den Köder. Zwei Wochen lang überbieten sie sich unter regem Interesse der Öffentlichkeit gegenseitig. Als die lukrativste Auktion der deutschen Wirtschaftsgeschichte am 17. August 2000 endet, ist das Staatssäckel um 98,8 Milliarden D-Mark dicker: Geld, das Bundesfinanzminister Hans Eichel (SPD) umgehend zur Schuldentilgung einsetzen möchte.

"Wir brauchen jetzt Massenmarkt und viele Kunden, die unsere Dienste nutzen", sagt Jürgen von Kuczkowski von D2 Vodaphone anschließend. Aber die Hoffnung stirbt schon bald. Die UMTS-fähige Massenware bleibt zunächst aus. Die Internetblase platzt, die Aktienkurse rutschen in den Keller, die Mobilfunkfirmen drohen unter der Schuldenlast zu zerbrechen. Telekom-Chef Ron Sommer muss, wenn auch einsichtslos, zurücktreten, Mobilcom und Quam geben ihre Lizenzen zurück.

"Kein anderes Land in Europa hat so viel Geld aus den Telekommunikationsunternehmen herausgezogen wie Deutschland", beschwert sich Bayerns Ministerpräsident Edmund Stoiber (CSU) im Namen des Wirtschaftsstandorts Deutschland. Hans Eichel reagiert gelassen. Dies sei eben "die Marktwirtschaft, mit der wir es zu tun haben", kontert er lapidar.

Ende der Goldgräberstimmung

Erst 2004 kommen die ersten UMTS-Karten für Notebooks auf den Markt. Handy-Nutzer müssen noch länger warten. "Ich glaube nicht, dass es heute noch jemanden gäbe in Deutschland, der diese astronomische Summe für eine  UMTS-Lizenz bezahlen würde", sagt E-Plus-Chef Uwe Bergheim später. "Aber es wäre sicher zu billig, im Rückblick zu sagen: das war ein Fehler." Immerhin hat sich UMTS inzwischen, auch dank I-Phone und Blackberry, durchgesetzt.

2010 werden weitere UMTS-Lizenzen versteigert. Aber dieses Mal kommen nur rund fünf Milliarden Euro zusammen – ein Zehntel des Ergebnisses von vor zehn Jahren.

Stand: 17.08.2015

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