Stichtag

26. Juni 1963 - Ex-Oligarch Michail Chodorkowski wird geboren

Am 25. Oktober 2003 setzt Michail Chodorkowskis Privatjet zur Landung auf dem Flughafen Nowosibirsk an. Als die Maschine zum Stehen kommt, stürmt eine bewaffnete Geheimdienst-Einheit hinein und nimmt den milliardenschweren Chef des russischen Öl- und Gaskonzerns Yukos fest. Kurz darauf sitzt Chodorkowski wie sein Freund und Geschäftspartner Platon Lebedew in einem Moskauer Gefängnis. Nun muss er darauf warten, dass ihm der Prozess gemacht wird.

Chodorkowskis Aufstieg zum reichsten Mann Russlands beginnt mit dem Zerfall der Sowjetunion. 1985, bei der Machtübernahme durch Michail Gorbatschow, sitzt der 1963 in Moskau geborene Chemie- und Ökonomiestudent in der Führung des Komsomol, der Jugendorganisation der Kommunistischen Partei. Der schüchtern wirkende, aber machtbewusste Funktionär erkennt die wirtschaftlichen Chancen, die sich durch Gorbatschows Öffnung zum Kapitalismus ergeben. "Unser Kompass ist der Profit. Wir werden Milliardäre sein", verspricht Chodorkowski seinen Mitstreitern.

Ölkonzern zum Schäppchenpreis

Mit den ersten Millionen, die er unter anderem durch Computer-Importe verdient, gründet Chodorkowski 1988 eine der ersten Privatbanken in Russland. Er gewinnt politischen Einfluss und wird 1992 in den Beraterstab von Präsident Boris Jelzin berufen. Drei Jahre später kann Chodorkowskis Bank in einer fragwürdigen Privatisierungsaktion 78 Prozent der Anteile am Ölkonzern Yukos ersteigern. Obwohl dessen Wert mehrere Milliarden US-Dollar beträgt, zahlt Chodorkowski nur rund 350 Millionen Dollar für das Unternehmen. Mit weiteren Beteiligungen an etwa 100 Firmen gehört der 33-Jährige nun zu den wichtigsten Finanzoligarchen Russlands.

Um das Jahr 2000 durchläuft der Turbokapitalist einen Wandel, dessen Hintergrund bis heute im Dunklen liegt. Chodorkowski strukturiert Yukos nach westlichen Vorbildern um, schafft Transparenz in der Buchführung und erklärt "Ehrlichkeit, Offenheit und Verantwortung" zu seinen Maximen. War er bisher treuer Gefolgsmann des neuen Kreml-Chefs Wladimir Putin, macht er sich nun für die Opposition stark. Chodorkowski prangert die Korruption im russischen Machtapparat an und verstößt damit gegen den ungeschriebenen Pakt zwischen der Polit-Elite und den Oligarchen: Kriminelle Machenschaften in den 90er Jahren fallen unter den Tisch, so lange die Superreichen Putin nicht im Wege stehen.  

Möglicher Entlassungstermin: Oktober 2014

Präsident Putin holt zum Gegenschlag aus und lässt die Yukos-Oligarchen seine Macht spüren. Im Juli 2003 wird zuerst Chodorkowskis Partner Platon Lebedew wegen angeblichen Millionenbetrugs verhaftet, drei Monate später Chodorkowski selbst. Noch am selben Tag verlassen die sieben reichsten Russen das Land. Die Anklage wirft dem Ölmagnaten Steuerhinterziehung vor; Chodorkowski bestreitet die Vorwürfe entschieden. Am 31. Mai 2005 verurteilt ein Moskauer Gericht die Angeklagten zu je neun Jahren Gefängnis; die U-Haft wird angerechnet.

Menschenrechtler in Ost und West prangern das Verfahren als politischen Schauprozess an. Nach sechs Jahren Haft in Sibirien stellt Michail Chodorkowski erfolglos einen Antrag auf vorzeitige Entlassung. Stattdessen wird er zusammen mit Lebedew in einem zweiten Prozess der Unterschlagung angeklagt und Ende 2012 letztinstanzlich zu weiteren drei Jahren Haft verurteilt. Demnach könnte Russlands berühmtester Gefangener im Oktober 2014 nach elf Jahren hinter Gittern entlassen werden. Da Chodorkowski aber aus der Zelle heraus weiter Putins Politik attackiert, sind weitere Verfahren gegen ihn nicht ausgeschlossen.

Stand: 26.06.2013

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