Stichtag

1206 – Dschingis Khan gründet das Mongolenreich

In grauer Vorzeit lebte ein blaugrauer Wolf, der eine falbe Hirschkuh zur Gattin hatte. Gemeinsam zogen sie über den kasachischen Tengiz-See. Als sie am Berge Burchan Chaldun in der Mongolei rasteten, wurde ihnen ein Sohn geboren, dem viele Nachfahren folgten. Will man der "Geheimen Geschichte der Mongolen" aus der Mitte des 13. Jahrhunderts glauben, so hat der spätere Beherrscher des größten Weltreichs der Erde, Temüdschin alias Dschingis Khan, in dieser mythischen Ahnenreihe seinen Ursprung.

Weiser oder Kannibale?

Tatsächlich ist über das wahre Leben Temüdschins fast nichts bekannt. Alle biografischen Aufzeichnungen entstehen nach seinem Tod und stammen aus der Feder von Verehrern oder Feinden. "Großherrscher" nennt ihn die "Geheime Geschichte der Mongolen", die chinesische Geschichtsschreibung den "Höchsten Herrscher". Im tibetanischen Buddhismus gar wird Temüdschin zum "geisterfüllten Heiligen" stilisiert.

Ganz anders klingt das in den Berichten des frommen Franziskaners Johannes von Plano Carpini, den die römische Kurie Mitte des 13. Jahrhunderts als Spion zu den Mongolen schickt. In seinen Augen war Temüdschin als Dschingis Khan ein blutrünstiger Herrscher: bereit, "alle Menschen zu berauben und Beute zu machen. Er machte sich die Männer seines Volkes geneigt, die ihm als Anführer zu jeglicher Missetat folgten". Wenn es nicht anders ging, so Johannes, dann gab Dschingis Khan seinem Heer bei Nahrungsmangel während Belagerungen auch schon einmal den Befehl, jeden zehnten Soldaten aus den eigenen Reihen zu verspeisen.

Eine Hauptstadt für Nomaden

Als historisch gesichert hingegen gilt, dass Temüdschin, der angeblich als Sohn eines einfachen, aber freien Soldaten mit einem Blutklumpen in der Hand geboren wird, auf einer Versammlung im Jahr 1206 die zerstrittenen mongolischen Nomadenstämme unter seiner Herrschaft vereint. Durch die Ernennung zum Großkhan wird er alleiniger Gesetzgeber des dadurch neu geschaffenen Reichs.

Sein stetig wachsendes Herrschaftsgebiet hält Dschingis Khan offenbar zusammen, indem er die mongolischen Führer und Untergruppen immer wieder neu durchmischt, sie auf sich einschwört, ihre Treue belohnt und Verrat hart bestraft. Er gibt den Mongolen eine Gesetzgebung und eine strukturierte Verwaltung mit Schrift- und Urkundenwesen sowie einem eigenen Münzsystem. Und er schart Berater um sich, um seinen nomadischen Untertanen eine feste Hauptstadt zu erbauen: Karakorum, die man mit ihren Handwerksbetrieben und Steinplattenstraßen durchaus mit Städten des Römischen Reiches vergleichen kann.

Zwischen 1236 und 1242 weiten die Mongolen ihre Eroberungszüge bis nach Europa aus. Hiervon allerdings bekommt Dschingis Khan nichts mehr mit: Er stirbt bereits im Jahr 1227 – ein Jahrzehnt vor den "Mongolenstürmen", die im öffentlichen Bewusstsein immer noch mit seinem Namen verbunden sind.

Stand: 23.12.2011

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