Stichtag

8. Dezember 1926 - Joachim Fest wird geboren

Seine Veröffentlichungen zum Nationalsozialismus machen ihn international bekannt: Joachim Fest gehört zu den herausragenden Medienschaffenden nach dem Zweiten Weltkrieg. Sein erstes Buch "Das Gesicht des Dritten Reiches" erscheint 1963, hervorgegangen aus einer Reihe von Rundfunkbeiträgen. In Psychogrammen charakterisiert er darin Adolf Hitler, Albert Speer und andere Nazi-Größen. Das Werk habe den Deutschen ihre Geschichte zugänglich gemacht, sagt Geschichtsprofessor Michael Wildt von der Berliner Humboldt-Universität. Es sei sicher eines der glanzvollsten Bücher, "die er geschrieben hat, dessen Porträts heute noch lesenswerte Stücke über die nationalsozialistische Elite sind".

"Das Gesicht des Dritten Reiches" dient Fest als eine Art Vorstudie zu seiner Hitler-Biografie, die 1973 erscheint und in viele Sprachen übersetzt wird. Nachdem bereits englische Historiker die Person Hitler ergründet haben, ist Fest der erste Deutsche, der sich mit dem Diktator auseinandersetzt. Das Buch wird zum Bestseller der Frankfurter Buchmesse. Neben Lob gibt es aber auch Kritik: Fest erwähnt den Holocaust in seiner Hitler-Biografie nur auf drei Seiten.

Zwischen Analyse und Verklärung

Auch Fests Speer-Biografie, die er 1999 veröffentlicht, wird viel beachtet. Fest hatte Speer nach dessen Haftentlassung 1966 als Ghostwriter bei der Niederschrift der Memoiren zur Seite gestanden. Nun beschreibt er Hitlers Architekten und Rüstungsminister als unpolitischen Künstler und Manager. Diese Einschätzung triff auf Widerspruch. Literaturkritiker Marcel Reich-Ranicki sagt im "Spiegel": "Indem er Speer der Nation, vor allem den kleinen Nazis und den Mitläufern als anständigen, wenn nicht gar edlen Nazi verkauft hat, verhalf er ihnen zu einem guten Gewissen." Als weitere Forschungen neue Beweise für das Ausmaß der direkten Täterschaft Speers auch in Bezug auf den Holocaust liefern, räumt Fest ein, Speer habe ihn angelogen, indem er eine Kenntnis der NS-Verbrechen abgestritten habe.

Geboren wird Joachim Clemens Fest am 8. Dezember 1926 in Berlin. Sein Vater ist Schulrektor, erhält jedoch als Mitglied der Zentrumspartei von den Nazis 1933 Berufsverbot. Die sechsköpfige Familie verarmt. Ein Onkel zahlt Joachim den Internatsaufenthalt in Freiburg. 1944 wird der 18-Jährige als Flakhelfer zur Wehrmacht eingezogen. Bei der Brücke von Remagen wird Fest im März 1945 gefangengenommen und kommt für fast zwei Jahre in US-Kriegsgefangenschaft in Frankreich. Im Anschluss an das nachgeholte Abitur studiert er Jura, Geschichte, Soziologie, Germanistik und Kunstgeschichte.

Vorlage für Kinofilm "Der Untergang"

Berufstätig wird Fest als Redakteur beim Berliner Sender RIAS, für den er Radiobeiträge über das "Dritte Reich" schreibt. 1961 wechselt er zum NDR, 1973 dann zur "Frankfurter Allgemeinen Zeitung" (FAZ). Als Feuilleton-Chef und Mitherausgeber der FAZ veröffentlicht Fest 1986 einen Text von Geschichtsprofessor Ernst Nolte, an dem sich der "Historikerstreit" über die Vergleichbarkeit von Nationalsozialismus und Stalinismus entzündet.

1993 verlässt Fest die FAZ und schreibt weiterhin Bücher. Unter anderem erscheint mit "Staatsstreich" im Jahr darauf eine Darstellung des missglückten Attentats von Claus Schenk Graf von Stauffenberg auf Hitler. Das Ende des "Dritten Reiches" beleuchtet Fest 2002 im Buch "Der Untergang", das die Grundlage für den gleichnamigen Spielfilm bildet, der zwei Jahre später in die Kinos kommt. Bei der Verleihung des Henri-Nannen-Preises im Mai 2006 wird Fest von CDU-Politiker Wolfgang Schäuble als "ein großer Konservativer" geehrt. Fest stirbt am 11. September 2006 im Alter von 79 Jahren in Kronberg im Taunus.

Stand: 08.12.2011

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