Im "Dritten Reich" haben Frauen nichts zu sagen. Für Adolf Hitler ist klar: "Gleichberechtigung der Frau? Nein, die Natur hat die Frau dafür nicht geschaffen." In der jungen Bundesrepublik ändert sich das Frauenbild. Vier Jahre nach Ende der Nazi-Diktatur berät der Parlamentarische Rat über das Grundgesetz - 61 Männer und vier Frauen. Die neue Verfassung wird von ihnen am 8. Mai 1949 beschlossen und von den Alliierten genehmigt. In Artikel drei, Absatz zwei heißt es: "Männer und Frauen sind gleichberechtigt." Diesen kurzen Satz haben die vier Mütter des Grundgesetzes gegen den Widerstand manch ihrer männlichen Kollegen erkämpft.
Die Politikerinnen wollen das noch aus der Kaiserzeit stammende Ehe- und Familienrecht ändern. Dazu brauchen die Frauen das Argument: Dieses alte Recht verstößt gegen das neue Grundgesetz. Die Sozialdemokratin Elisabeth Selbert, eine der vier Frauen, die das Grundgesetz mitverantworten, fordert deshalb "bis zum Jahre 1953 die Gleichstellung der Frau zu verwirklichen und alle entgegenstehenden Bestimmungen aufzuheben".
Doch dieses Anliegen, das im Grundgesetz-Artikel 117 als Übergangsbestimmung festgehalten ist, wird nicht fristgerecht umgesetzt. Erst im Juni 1957 verabschiedet der Bundestag das so genannte Gleichberechtigungsgesetz, das das Ehe- und Familienrecht an das Grundgesetz anpasst. Es tritt am 1. Juli 1958 in Kraft. Über die zentralen Punkte debattieren die Abgeordneten lange. Umstritten ist etwa die Erwerbstätigkeit der Frau. Bisher konnte der Ehemann seiner Frau verbieten, ihren Beruf auszuüben. Schließlich einigt man sich auf einen Kompromiss: Eine Ehefrau darf auch gegen den Willen ihres Mannes arbeiten gehen - aber nur, wenn Mann und Kinder darunter nicht leiden.
Auch um den so genannten Stichentscheid gibt es Diskussionen. Bislang hatten die Ehemänner das letzte Wort in strittigen Ehe- und Familienfragen, etwa wenn es um die Wahl des Wohnsitzes ging. Auch dieses Vorrecht wird von manchen Parlamentariern verteidigt. Am Ende steht abermals ein Kompromiss: Die Frauen dürfen nun bei Familienangelegenheiten mitreden, bei Erziehungsfragen jedoch behalten die Männer das alleinige Entscheidungsrecht. Gesetzlicher Vertreter der minderjährigen Kinder bleibt allein der Vater. Selbst bei unehelichen Kindern ist nicht die Mutter, sondern ein Amtsvormund zuständig.
Der Traum der SPD-Politikerin Selbert, "das Werk der Befreiung der Frau endgültig zu vollenden", wird mit dem Gleichberechtigungsgesetz von 1957/1958 nicht verwirklicht. Aber es ist ein erster Schritt: Frauen brauchen nun nicht mehr die Einwilligung ihres Mannes, wenn sie ein Konto eröffnen wollen. Sie haben bei einer Scheidung Anspruch auf Unterhalt und dürfen nun selbst über ihr eigenes Geld verfügen. Bisher gehörte alles, was eine Frau mit in die Ehe brachte, automatisch ihrem Mann.
Stand: 01.07.08