Stichtag

28. Juli 1881 - Günther Quandt wird geboren

Sie sind Genies der Geräuschlosigkeit: Die Angehörigen der Industriellen-Familie Quandt treten selten in der Öffentlichkeit auf und geben kaum Interviews. Ihr auf 20 Milliarden Euro geschätztes Vermögen vermehren sie diskret. So wie es ihnen Günther Quandt, der das Wirtschafts-Imperium aufgebaut hat, geraten hat: "Ihr dürft nie etwas sagen, müsst Aufsehen vermeiden und nie jemanden in eure Karten schauen lassen."

Der Aufstieg der Familie beginnt in der Kaiserzeit. Günther Quandt, der am 28. Juli 1881 im brandenburgischen Pritzwalk geboren wird, steigt nach der Schule in die Textilbranche ein. Sein Vater Emil hat in eine kleine Tuchmanufaktur eingeheiratet und beliefert am Ende die kaiserliche Marine mit Uniformstoffen. Es lohnt sich: Als der Erste Weltkrieg beginnt, brauchen all die Freiwilligen Uniformen. An der Seite des Industriellen Walther Rathenau managt Günther Quandt zudem die deutsche Kriegswirtschaft.

Batterien als Zukunftsmarkt erkannt

In der Weimarer Republik nutzt Quandt seine Erfahrungen und Kontakte. Zunächst mischt Quandt in der Kali-Branche mit, dann sichert er sich die Aktien-Mehrheit der "Accumulatoren-Fabrik AG" (AFA), die in den 1920er Jahren 80 Prozent des deutschen Stromspeicher-Marktes kontrolliert. Batterien, erkennt Quandt, sind ein gigantischer Zukunftsmarkt. Die AFA trägt Jahrzehnte später den Namen Varta.

Quandt ist immer unterwegs, pflegt Kontakte und besichtigt Fabriken. Um seine beiden halbwüchsigen Söhne muss er sich alleine kümmern, nachdem seine erste Frau an der Spanischen Grippe gestorben ist. Im Zug lernt er eine um 20 Jahre jüngere Frau kennen: die 17-jährige Magda Friedländer. Das ungleiche Paar heiratet, lebt sich aber schnell auseinander. Als Magda einen jüngeren Liebhaber hat, folgt die Scheidung. Der gemeinsame Sohn Harald darf bei ihr bleiben. Magda interessiert sich nun für Joseph Goebbels, damals Gauleiter der NSDAP von Berlin. 1931 heiraten die beiden - auf einem Quandtschen Anwesen.

1937 zum "Wehrwirtschaftführer" ernannt

Die Hochzeit seiner Ex-Frau verschafft Quandt gute Kontakte zur Nazi-Elite. Nach Adolf Hitlers Machtübernahme tritt der Unternehmer 1933 in die NSDAP ein. Quandt hat längst einen maroden Rüstungsbetrieb gekauft und profitiert nun von Hitlers Aufrüstung. Die "Deutschen Waffen- und Munitionsfabriken" (DWM) liefern der Wehrmacht Munition, Gewehre und Geschütze. Die AFA stattet Panzer, U-Boote und Kampfflugzeuge mit Batterien aus. 1937 wird Quandt zum "Wehrwirtschaftsführer" ernannt. Nach den deutschen "Blitzsiegen" gegen Polen und Frankreich verkündet Quandt 1940: "Stolz schauen wir auf den größten Deutschen aller Zeiten, unseren geliebten Führer."

In Quandts Waffenschmieden schuften massenweise Zwangsarbeiter. In Hannover werden auch 1.500 KZ-Häftlinge bei der Batterie-Produktion eingesetzt - ohne Schutzkleidung. Viele Häftlinge sterben. Das nehmen Quandt und sein Sohn Herbert aus erster Ehe in Kauf. "Sie sahen in diesen Menschen nur Abfall", sagt später Benjamin Ferencz, einer der amerikanischen Ankläger in den Nürnberger Prozessen.

Als "Mitläufer" eingestuft

Bei Kriegsende bleibt Sohn Herbert in Hannover, während sich sein Vater nach Bayern absetzt. Dort lebt Günther Quandt unbehelligt am Starnberger See, während Herbert bereits wieder Batterien produziert - nun für die Briten. Schließlich wird Günther Quandt doch noch für eineinhalb Jahre interniert, bevor er als "Mitläufer" eingestuft wird. Sein Besitz im Osten ist zwar verloren, aber es bleiben die Batteriefabriken in Hannover und Hagen sowie viele Aktienbeteiligungen. Günther Quandt setzt seine Geschäfte fort, bis er am 20. Dezember 1954 auf einer Erholungsreise in Kairo stirbt.

Seine Erbe wird von den beiden noch lebenden Söhnen gemeinsam verwaltet. Harald, der Sohn aus zweiter Ehe, ist inzwischen aus britischer Kriegsgefangenschaft zurück gekehrt. Herbert baut das Imperium weiter auf. Unter anderem steigt er bei BMW ein. Auch seine Kinder Stefan Quandt und Susanne Klatten sind Unternehmer. All dies geschieht - zumindest geschäftlich - in großer Stille. "Ich glaube, es hat sich bewährt, dass wir in der Vergangenheit immer versucht haben, uns zurückziehen und nicht jeden Tag in den Schlagzeilen oder im Rampenlicht zu stehen", sagt Günther Quandts Schwiegertochter Johanna rückblickend.

Stand: 28.07.2011

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