Jüdische Frauen, Männer und Kinder werden im Mai 1943 aus dem Warschauer Ghetto getrieben

Stichtag

19. April 1943 - Der Aufstand im Warschauer Ghetto beginnt

Um drei Uhr morgens des 19. April 1943 wird das Warschauer Ghetto von zwei Bataillonen der Waffen-SS umstellt. SS-General Jürgen Stroop hat einen Anruf erhalten: "Der Reichsführer SS befahl mir: Der Zeitpunkt für die Großaktion ist gekommen." Die im Ghetto eingeschlossenen Juden sind gewarnt worden und haben sich vorbereitet. Die 850 vorrückenden SS-Männer sind fassungslos: Die Juden leisten Widerstand.

Etwa 300 jüdische Partisanen schießen von Dächern, werfen Benzinbomben und setzen drei gepanzerte Fahrzeuge in Brand. "Nach einer halben Stunde waren die Einheiten zerschlagen und demoralisiert", heißt es im Bericht Stroops. In Berlin tobt SS-Reichsführer Heinrich Himmler. Er wollte Adolf Hitler am 20. April ein Geburtstagsgeschenk machen und ihm verkünden, Warschau sei "judenfrei".

Systematische Aushungerung

Das Warschauer Ghetto wird ein halbes Jahr nach dem deutschen Angriff auf Polen eingerichtet. Im Mai 1940 wird der nördliche Teil der Stadt zum "Seuchen-Sperrbezirk" erklärt und am 2. Oktober die Ghettoisierung der Juden angeordnet. Das Ghetto wird mit einer dreieinhalb Meter hohen Mauer umgeben. Am 16. November 1940 werden die 22 Tore zur Außenwelt geschlossen - knapp eine halbe Million Menschen lebt damit auf zwei Prozent des Stadtgebietes. Die hygienischen Bedingungen sind katastrophal. Die systematische Aushungerung lähmt den Widerstandswillen.

Hinzu kommt die falsche Hoffnung des von der SS  eingesetzten so genannten Judenrats. Der Historiker Israel Gutman, ein Überlebender aus Warschau, erinnert sich: "Die Judenräte haben gesagt: Für die Deutschen sind wir keine Menschen, aber wenn wir produktiv sind und den Deutschen helfen, können wir vielleicht damit unser Leben retten." Viele Juden müssen auf dem Ghetto-Gelände Zwangsarbeit für die deutsche Rüstung leisten.

Jüdische Kampforganisation aufgebaut

Im Juli 1942 beginnt die Deportation aus dem Ghetto in die Vernichtungslager. Täglich werden zwischen 6.000 und 7.000 Menschen in Güterwagen verladen. Während orthodoxe Juden sich nicht wehren, weil sie sich nicht gegen den angeblichen Willen Gottes stellen wollen, organisieren sich linke Zionisten und jüdische Sozialisten. Die jüdische Kampforganisation entsteht aus jungen Leuten zwischen 15 und 26 Jahren. Am 2. Dezember 1942 ist es geschafft: 22 Einheiten von je sechs Kämpfern werden über das Ghetto verteilt. Ihre Waffen erhalten sie vorwiegend von der polnischen Untergrundorganisation. Sie lernen schießen und bauen ein unterirdisches Bunkersystem. Ihr Ziel: Lieber kämpfend sterben, als vergast zu werden.

Als im April 1943 das Ghetto liquidiert werden soll, leben noch rund 60.000 Bewohner. Nach dem ersten Rückschlag setzt die SS schließlich 3.000 Mann, Artillerie und Flammenwerfer ein. Das Ghetto wird Haus um Haus niedergebrannt. Am 16. Mai 1943 ist der Kampf nach fast vier Wochen zu Ende. SS-General Stroop bilanziert: "Gesamtzahl der erfassten und nachweislich vernichteten Juden beträgt insgesamt: 56.065." Als Siegeszeichen befiehlt er, die letzte Synagoge zu sprengen. In seiner Tagesmeldung steht: "Es gibt keinen jüdischen Wohnbezirk in Warschau mehr!"

Stand: 19.04.2008