Buchcover: "Die goldene Stunde" von Wytske Versteeg

Lesefrüchte

"Die goldene Stunde" von Wytske Versteeg

Stand: 02.02.2024, 14:54 Uhr

Ahmed ist vor dem Krieg in die Niederlande geflüchtet. Mari will ihm dort Heimat geben. Tarik, ein ehemaliger Soldat, verschanzt sich in ein abgelegenes arabisches Dorf.

Mari ist Niederländerin, Anfang vierzig und noch immer auf der Suche nach sich selbst: Sie versucht sich als Sozialarbeiterin in einem Projekt für Geflüchtete. Dort lernt sie den wesentlich jüngeren Ahmad kennen. Die beiden werden für kurze Zeit ein Paar. Als Ahmad es weder in den Niederlanden noch bei Mari aushält, verschwindet er.

Kopflos fliegt Mari in eine Region des Nahen Ostens, die sie als Ahmads Heimat vermutet. Dort sucht sie sich einen Hilfsjob bei einer Tourismusorganisation. Sie zieht in ein arabisches Dorf, versteht weder Sprache noch Sitten und lebt dort als Außenseiterin - so wie es Ahmad in ihrer Heimat ergangen ist.

Doch im Unterschied zu ihm zieht Mari daraus keine Konsequenzen. Sie hängt sich an Tarik, einen Mann um die fünfzig, der als Fremder im Dorf auch nur geduldet ist. Tarik verschweigt, dass er Soldat und Aufseher in einem berüchtigten Lager war.

Drei Menschen auf der Flucht: Mari flieht vor sich selbst – Ahmad aus den Niederlanden, die ihm nie Heimat sein würden – und Tarik vor seiner Vergangenheit, die ihn zum Outlaw im eigenen Land macht.

Wytske Versteeg ist ein hoch aktueller Roman gelungen: Angesichts der rechtsextremen Forderung nach einer sogenannten "Remigration" ist uns allen zu wünschen, dass ihr Buch von vielen gelesen wird.

Eine Rezension von Andrea Lieblang

Literaturangaben:
Wytske Versteeg: Die goldene Stunde
Aus dem Niederländischen von Christiane Burkhardt.
Verlag Klaus Wagenbach, 2024
240 Seiten, 26 Euro