Buchcover: "Schwarzlicht" von María Gainza

"Schwarzlicht" von María Gainza

Stand: 22.09.2023, 13:43 Uhr

Wir befinden uns in einem Luxushotel in Buenos Aires, eine namenlose Ich-Erzählerin checkt ein und beginnt damit, sich eine Geschichte von der Seele zu schreiben. Das Interessante? Die Geschichte liest sich sowohl wie ein Geständnis als auch wie eine Untersuchung.

Nach ihrem Kunststudium beginnt sie als Assistentin der renommierten Kunstgutachterin Enriqueta Macedo zu arbeiten, die sie schon bald in ein brisantes Geheimnis einweiht: Enriqueta ist als Kunstsachverständige dafür zuständig originale Werke von Fälschungen zu unterscheiden.

Aber manches Mal stellt sie auch einem gefälschten Werk ein Echtheitszertifikat aus, was nicht etwa an ihrem Urteilsvermögen liegt. Nein, Enriqueta gehört zur Bande der melancholischen Fälscher, einer Gruppe exzentrischer Betrüger, die wie ein wohlgeöltes Fließband Fakes zu Originalen erklären lässt.

Es braucht nicht mal eine Bitte und unsere Erzählerin steigt in die Fälschungsmasche mit ein. Aber so plötzlich wie ihr gemeinsames Nebengeschäft, oder wie sie es nennen: "Der Aufstand gegen die Bourgeoisie" begonnen hatte, so plötzlich endet es auch wieder, und zwar mit Enriquetas Tod. Nach dem Tod ihrer Mentorin stößt die Erzählerin auf die Legende einer Frau, die ihrerzeit der sagenumwobene Mittelpunkt der Bohème im Buenos Aires der 60er gewesen sein soll.

La Negra, eine Künstlerin, die Bilder wohl so überzeugend fälschte, dass man sie nicht mehr vom Original unterscheiden konnte, ist allerdings seit Jahren untergetaucht. Mit Unverblümtheit und gutportioniertem Sarkasmus führt María Gainza ihre Leser:innen durch die verrauchten Clubs von Buenos Aires der 60er hin zu den mittlerweile altersschwachen Bohèmiesn im Umfeld der Negra.

Welche Geschichten über die Negra sind wirklich wahr? Hatte sie tatsächlich ein Haus-Krokodil? Stimmte das Gerücht über ihre Affäre mit der österreichischen Malerin Mariette Lydís? Oder hat es La Negra vielleicht überhaupt nicht gegeben?

Bei María Gainza stellt sich die Erzählweise als mindestens genauso facettenreichen dar, wie die Kunstszene selbst. Nicht umsonst ist Gainzas "Schwarzlicht" vom New Yorker zu einem der besten Bücher des Jahres gekürt worden.

Eine Rezension von Deniz Zadeh

Literaturangaben:
María Gainza: Schwarzlicht
Aus dem argentinischen Spanisch von Peter Kultzen
Wagenbach, 2023
160 Seiten, 22 Euro