Buchcover: "Paris Requiem" von Chris Lloyd

Lesefrüchte

"Paris Requiem" von Chris Lloyd

Stand: 12.01.2024, 16:18 Uhr

Der britische Autor Chris Lloyd lässt seinen Polizeiinspektor Eddie Giral nun schon zum zweiten Male im Paris des Jahres 1940 ermitteln. Paris ist seit Mitte Juni nach blitzartigen Vorstößen durch Belgien und Nordfrankreich von der deutschen Wehrmacht besetzt.

In seinem ersten Fall ("Die Toten vom Gare d’Austerlitz", Suhrkamp, 2022) hatte Inspecteur Giral die Ermordung von polnischen Flüchtlingen aufgeklärt, die über belastende Informationen zu einem deutschen Massaker in ihrem Heimatland verfügten.

"Pariser Requiem" nun, Girals zweiter Fall, führt in die Nachtclub- und Kneipenszene, in der die deutschen Besatzer, vom kleinen Gefreiten bis zu den höheren Chargen, sich mit halbseidenen Pariser Damen amüsieren.

Während das Gros der Bevölkerung unter der Rationierung von Lebensmitteln leidet, werden in diesem Milieu Schwarzmarktgeschäfte mit großen und kleinen französischen Gangstern betrieben, damit man den Lieben daheim im Reich Pakete mit Leckereien und Luxusgütern schicken kann. Tauschobjekt ist häufig Pervitin, auch "Panzerschokolade" genannt – jene aufputschende Droge, mit der die Wehrmacht, voll auf Speed, in den Blitzkriegsjahren ihre Gegner überrrannte.

Lloyds Roman liefert hinreißende Schilderungen dieses Milieus, in dem eine Serie von Morden geschieht, deren Opfer auf symbolhafte Weise zugerichtet wurden. Der Autor beschreibt zugleich die Psyche eines Polizisten, der unter den Traumata leidet, die ihm Krieg und Gefangenschaft 1914/18 zugefügt haben.

Eddie Giral trotzt diesen Problemen, bleibt schlagfertig, listig, widerborstig – beim Umgang mit deutscher Gestapo und Abwehr ebenso wie mit Kollaborateuren aus den eigenen Reihen. In der Tradition seiner Landsleute John Le Carré oder Eric Ambler präsentiert Chris Lloyd auf diese Weise Zeitgeschichte als ein spannendes Lesevergnügen.

Eine Rezension von Wolfgang Stenke

Literaturangaben:
Chris Lloyd: Paris Requiem
Aus dem Englischen von Stefan Lux
Hrsg. von Thomas Wörtche
Suhrkamp, 2024
447 Seiten, 18 Euro