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Cover des Albums "Windrush Baby" von Aleighcia Scott: Schwarz-Weiß-Foto; Schwarze Frau im "Sonntagskleid" mit Kind auf dem Arm

Walisische Windrush Vibes von Aleighcia Scott

Stand: 20.12.2023, 08:00 Uhr

1948 brachte das Schiff "Windrush" die ersten Menschen aus Jamaika ins Vereinigte Königreich. Der Beginn einer musikalischen Lovestory zwischen der Karibik und Europa. Aleighcia Scott huldigt in "Windrush Baby" dem Sound der Windrush Generation mit romantischem Lovers Rock, beschwingtem Soul und sozialkritischem Roots Reggae.

Von Adrian Nowak

Eins der schönsten Reggae Alben des Jahres kommt aus Wales! Wer hätte das gedacht. In der Hauptstadt Cardiff arbeitet die Sängerin Aleighcia Scott seit 2015 an ihrer Karriere und wurde zu einer lokalen Berühmtheit. Sie tourte durch kleine Venues, spielte im Vorprogramm von Topacts wie Maxi Priest und moderierte eine eigene Sendung auf BBC Wales.

Ihr souliger Gesang ist stark beeinflusst von der Musik, die ihre Familie daheim gehört hat. Ihre Großeltern väterlicherseits kamen als Teil der Windrush-Generation aus Jamaika ins Vereinigte Königreich. Die Windrush-Generation bezeichnet Menschen, die zwischen 1948 und 1971 aus der Karibik nach Großbritannien kamen, benannt nach dem Schiff "Windrush", das die ersten Einwander:innen über den Atlantik brachte.

Die Menschen aus der Karibik brachten auch ihre Soundsystemkultur mit, legten auf ihren Partys erst klassische Soul- und Rhythm & Blues-Platten auf, später jamaikanische Stile wie Ska, Rocksteady, frühen Reggae oder romantischen Lovers Rock. Aleighcia Scott erinnert sich auf ihrem Debütalbum an diese Genres und ihre Vorfahren. Auf dem Cover sieht man ihre Großmutter als junge Frau in Großbritannien – und im Arm hält sie Aleighcias Onkel, der damals noch ein Baby war.

Ein genialer Partner

Für ihr Debüt hat sie in Rory Stonelove einen genialen Partner gefunden. Rory Gilligan ist berühmt geworden als Teil des renommierten Soundsystems Stone Love Movement aus Jamaika, das schon seit 1972 aktiv ist. Aufgewachsen ist er allerdings in London, wo er als Kind einen ähnlichen Sound wie Aleighcia Scott gehört hat. Für "Windrush Baby" trommelte Rory jamaikanische Topmusiker zusammen, darunter den Keyboard-Wizard Franklin "Bubbler" Waul oder den Saxofonisten Dean Fraser, der schon mit Dennis Brown oder Bob Marley gespielt hat.

Bei Sessions in Jamaika entstanden so sanfte Stücke wie "First Love", oder die Rocksteadynummer "In My Shoes", die ein wenig an Amy Winehouse erinnert. Coverversionen sind ein wichtiger Bestandteil der Reggae-Tradition, und so interpretiert sie auf dem Album den Soulklassiker "Because You Love Me" von Brook Benton. Den kennen die meisten Offbeat-Fans allerdings als "Do You", 1970 ein großer Hit für den Jamaikaner John Holt. Aleighcia Scotts Version stellt so Bezüge zu klassischem Soul und Reggae her und erinnert an die 70er, als jamaikanischer Schmuse-Reggae die britischen Charts eroberte.

Rory macht auf "Do You" sogar eine Sache, die in den 70ern sehr umstritten war: Er setzt opulente und auch etwas schrille Geigen ein. Das galt für Puristen in dieser Zeit als Verwässerung, denn damals wurden Aufnahmen aus Jamaika in Großbritannien mit Streichern ergänzt, um so den britischen Popmarkt anzusprechen.

Nicht alles cheesy

Trotzdem kann man dem Album nicht vorwerfen zu cheesy zu klingen. Zwischen den romantischen Songs setzt Aleighcia Scott immer wieder neue Akzente, sowohl musikalisch, als auch textlich. Vor allem in den politischen Songs wird klar, dass "Windrush Baby" kein Nostalgie-Werk ist, sondern ein klares, modernes Statement von Aleighcia Scott.

In "Pretty Little Brown Thing" kritisiert sie, dass Frauen oft als Objekt betrachtet werden und die militante Rootsnummer "Mr Big Shot" klagt den Egoismus der Mächtigen an. Engagiert zeigt sie sich auch im Reggae-Disco-Hybrid "Hey World", in dem sie Themen wie Klimawandel, Glaubenskriege und weltweite Flüchtlingsbewegungen anspricht. Aleighcia Scott und Rory Stone Love verbinden mit "Windrush Baby" wunderbar einen zeitlosen Sound mit zeitgenössischen Themen – schade bloß, dass kein Stück auf Walisisch dabei ist.