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Fotoreproduktion nach Aufnahme von Johannes Brahsm in den 1860er Jahren

Werkeinführung: Johannes Brahms - Ein deutsches Requiem op. 45

Von Matthias Corvin

Bevor er den Konzertsaal mit seinen Sinfonien eroberte, machte sich Johannes Brahms als Chordirigent einen Namen. In seiner Heimatstadt Hamburg, in Detmold und Wien leitete er Vokalensembles und bereicherte das Repertoire mit eigener Musik. Das "Deutsche Requiem" ist sein umfangreichstes Chorwerk und ein Markstein seiner künstlerischen Entwicklung. Die Idee dazu reicht in die frühen 1850er Jahre zurück. Da begegnete Brahms dem in Düsseldorf als Musikdirektor wirkenden Robert Schumann, der zum hilfreichsten Mentor wurde, den er sich nur wünschen konnte. Im berühmten Aufsatz "Neue Bahnen" pries Schumann den kaum bekannten Brahms als Hoffnung der jungen Generation. Man sprach viel über zukünftige Projekte, offenbar auch über die Konzeption einer deutschsprachigen Totenmesse. Daher taucht der Titel "Deutsches Requiem" auch in Schumanns Skizzenbüchern auf. Vielleicht war dessen Tod im Jahr 1856 für Brahms der erste Auslöser, sich schon einmal gedanklich mit solch einem Werk zu befassen.

Doch erst nach dem Tod seiner Mutter am 2. Februar 1865 wandte sich Brahms ganz diesem Requiem zu. Im folgenden Jahr komponierte er zunächst die Teile eins bis vier und sechs bis sieben für Chor, Bariton-Solo und Orchester. Gut möglich, dass auch die Gefallenen des Deutsch-Deutschen Krieges zwischen Preußen und Österreich das Werk beeinflussten. Unkonventionell kombinierte Brahms darin Textpassagen aus dem Alten und Neuen Testament. Damit wandte sich der Protestant von der oft vertonten lateinischen Totenmesse der katholischen Kirche ab. Brahms verstand sein Chorwerk keineswegs sakral, sondern als persönliche Auseinandersetzung mit dem Tod und der Vergänglichkeit.

Nach einer Vorab-Präsentation der ersten drei Sätze in der Wiener Hofburg fand die offizielle Uraufführung am Karfreitag, den 10. April 1868 im Bremer Dom St. Petri statt. Geleitet vom 34-jährigen Brahms wurde sie ein triumphaler Erfolg. Das Werk bestand damals aus den genannten sechs Sätzen. Erst nach der Uraufführung komponierte Brahms einen siebten Satz hinzu. Es ist das an die fünfte Stelle platzierte Sopransolo mit Chor "Ihr habt nun Traurigkeit". Der nachträgliche Einbezug hatte nicht nur künstlerische Gründe: Als Hinweis auf den Erlösertod Jesu wurde bei frühen Kirchenaufführungen an dieser Stelle oft eine fremde Arie mit Frauenstimme eingefügt, meist "Ich weiß, dass mein Erlöser lebet" aus Georg Friedrich Händels "Messias". Durch die Hinzufügung eines eigenen Sopran-Solos setzte Brahms dieser Tradition ein Ende. Erst die Leipziger Erstaufführung am 18. Februar 1869 im Gewandhaus unter Kapellmeister Carl Reinecke präsentierte das "Deutsche Requiem" in der heute bekannten siebensätzigen Fassung.

Ein frühes Lob kam aus dem Mund der befreundeten Pianistin und Komponistin Clara Schumann, der Witwe Robert Schumanns. Nachdem sie den Klavierauszug gesehen hatte, schrieb sie an Brahms: "Aber sagen muss ich Dir noch, dass ich ganz erfüllt bin von Deinem Requiem, es ist ein ganz gewaltiges Stück, ergreift den ganzen Menschen in einer Weise wie wenig anderes. Der tiefe Ernst, vereint mit allem Zauber der Poesie, wirkt wunderbar, erschütternd und besänftigend." Sehr eindringlich mischt das "Deutsche Requiem" ja dramatisch aufrüttelnde Passagen mit kontemplativen Momenten, die Hoffnung und Trost spenden. Die mal ätherischen, mal im Trauermarsch-Rhythmus schreitenden Chorsätze sind raffiniert mit den Vokalsoli ausbalanciert. Chor und Orchester bilden eine untrennbare Einheit. Erst beide zusammen erzeugen die spezielle Stimmung dieser Musik; man höre nur die von Harfenklang umschmeichelten Chorstimmen ganz am Ende. Trotz stilistischer Bezüge zu barocken Vorbildern wie Händel und Johann Sebastian Bach gelang Brahms eines der modernsten Chorwerke seiner Zeit. Das Auf-sich-Nehmen des Leidens wird ganz unsentimental gepredigt. Eher bescheiden bemerkte er daher noch später über diese Totenmesse: "Ich habe nur meine Trauer niedergelegt".

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