Antisemitismus im Schulalltag

Lokalzeit Münsterland 25.10.2023 Verfügbar bis 25.10.2025 WDR Von Detlef Proges, Heike Zafar

"Krass antijüdische Sachen" - Ein Lehrer über Antisemitismus an der Schule

Stand: 26.10.2023, 06:00 Uhr

Seit über 20 Jahren ist er als Lehrer an einer weiterführenden Schule im Münsterland tätig. Fast täglich erlebe er judenfeindliche Vorfälle im Klassenzimmer und auf dem Schulhof. Die jüdische Gemeinde in Münster will deshalb weiter mit Schülern arbeiten, um Vorurteile abzubauen.

"Ich glaube, dass wieder insgesamt mehr Hass auf Juden zur geduldeten Normalität gehört." Deutliche Worte des Pädagogen, der anonym bleiben will, aus Sorge vor beruflichen Konsequenzen und Anfeindungen.

Ein Mann sitzt dem Rücken zur Kamera auf einem Stuhl in einem Klassenzimmer. Er hat die Kapuze seines schwarzen Pullis über den Kopf gezogen, um unerkannt zu bleiben

Aus Angst will der Lehrer anonym bleiben

Es seien krasse antijüdische Äußerungen, die er vor allem von muslimischen Schülern hören würde. "Das, was die Juden machen, sei mindestens so schlimm, wie das, was die Hamas gemacht hat. Wenn nicht noch schlimmer." So würde über den Terror gegen Israel gesprochen.

"Das sind wirklich krass antijüdische Sachen, die man da hört." Lehrer an einer Schule im Münsterland

Außerdem würden Schüler dem jüdischen Staat das Existenzrecht absprechen, weil das ein Land sei, das die Juden den Palästinensern geklaut hätten. Und das sei nach dem Kriegsausbruch im Nahen Osten noch schlimmer geworden.

"Lehrer wollen sich damit nicht die Finger verbrennen"

Der Pädagoge aus dem Münsterland will etwas dagegensetzen, diskutiert in seinen Klassen über das Thema Judenfeindlichkeit und darüber, wo Kritik an Israel noch legitim ist und wann sie in Antisemitismus umschlägt.

Doch, erzählt der erfahrene Lehrer, er würde viele Kollegen und Kolleginnen kennen, die sich mit dem Thema nicht die Finger verbrennen wollten. Zu groß seien die Widerstände, die von Schülern und Schülerinnen kämen, die oft emotional extrem aufgeladen seien.

Jüdische Gemeinde Münster will Vorurteile abbauen

Eine Führung mit Anna Rybak in der Synagoge in Münster

Anna Rybak (Mitte) führt Schülerinnen durch die Synagoge in Münster

Anna Rybak lebt seit langem als Jüdin in Münster. In der jüdischen Gemeinde macht sie regelmäßig Führungen mit Schülern. "Es geht nichts über die persönliche Begegnung. Alle hören irgendwas von irgendwelchen Juden in Deutschland. In Münster hat aber kaum jemand einen Juden persönlich getroffen", erzählt die Mutter einer jugendlichen Tochter.

Deswegen mache sie gerade auch jetzt, in Zeiten wachsender Judenfeindlichkeit, weiter Führungen durch die Synagoge. So sollen Berührungsängste und Vorurteile abgebaut werden.

Klare Kante gegen Antisemitismus im Klassenzimmer

Ein jüdischer Leuchter, dessen Mitte mit einem Davidstern verziert ist

Klare Kante gegen Antisemitismus

Der Lehrer aus dem Münsterland will auch weiter klare Kante gegen Antisemitismus im Klassenzimmer zeigen. Damit andere Lehrer auch gut auf solche Vorfälle reagieren können, hat er eine Forderung: "Ich würde mir für jede Schule wünschen, dass man Fortbildungen für Lehrer verpflichtend macht." Damit alle Lehrer sich stark genug fühlen könnten, um Hetze und Judenhass entgegenzutreten.

Online-Seminare für Lehrer

Verpflichtende Fortbildungen hat das NRW-Schulministerium zwar nicht beschlossen. Die Behörde teilte aber am Donnerstag mit, den Lehrkräften weiteres Informationsmaterial zur Verfügung zu stellen und ihnen Online-Seminare anzubieten. Antisemitismus-Prävention und der Umgang mit Konflikten stünden dabei im Mittelpunkt. Mit den erweiterten Bildungsangeboten solle der Umgang "mit diesem ebenso emotionalen wie komplexen Thema" erleichtert werden, sagte NRW-Bildungsministerin Dorothee Feller (CDU).

Über dieses Thema berichteten wir am 25. Oktober 2023 unter anderem in der Lokalzeit Münsterland im WDR-Fernsehen.