Die Wirtschaft lahmt: Mittelstandsverbände mit Brandbrief

WDR aktuell 19.02.2024 01:56 Min. Verfügbar bis 19.02.2026 WDR Von Daniela Schulz

Wirtschaft schwächelt: Mittelstand schlägt Alarm

Stand: 19.02.2024, 12:04 Uhr

Die Bundesregierung will die Wirtschaft ankurbeln, die in NRW noch stärker stottert als im Rest des Landes. Doch die Union blockiert das Vorhaben. Das stößt auf Kritik von Wirtschaftsverbänden. Wir erklären, welche Rolle das geplante "Wachstumschancengesetz" spielt.

Die deutsche Wirtschaft hat Probleme, und das schon seit längerem. Konjunkturprognosen werden immer wieder nach unten korrigiert, Experten befürchten eine Rezession. Auch Bundeswirtschaftsminister Robert Habeck (Grüne) ist besorgt: "Insgesamt müssen wir in diesem Land wieder mehr investieren und das Wirtschaftswachstum zum Laufen bringen", sagte er vergangene Woche.

Um das zu erreichen, hat die Bundesregierung das "Wachstumschancengesetz" auf den Weg gebracht: Dieses soll Unternehmen steuerlich entlasten, zudem sollen Bürokratiehürden abgebaut, Steuerpauschalen erhöht und Genehmigungen schneller erteilt werden. Zudem soll es Prämien für klimafreundliche Investitionen geben. Insgesamt sollen Unternehmen durch das Gesetz Entlastungen zwischen drei und acht Milliarden Euro zugute kommen.

Union: Zustimmung nur, wenn Agrardiesel-Subvention bleibt

Der Bundestag hat das Gesetz bereits Mitte November 2023 beschlossen, doch der Bundesrat stoppte das Gesetz und rief den Vermittlungsausschuss an, der am Mittwoch darüber berät. Die Union-geführten Bundesländer wollen ihre Zustimmung nur unter einer Bedingung geben: Die geplante Streichung der Agrardiesel-Subventionen soll zurückgenommen werden. Wegen der Streichung gab es in den vergangenen Wochen diverse Proteste von Landwirten.

Mittelstand fordert "schnellstmögliches" Gesetz

Interessant ist nun, dass große Wirtschaftsverbände, die ansonsten eher Positionen von CDU/CSU und FDP vertreten, sich nun deutlich gegen die Union wenden. In einem Brandbrief, der dem WDR vorliegt, forderten 18 Verbände die Ministerpräsidenten der Bundesländer auf, die Blockade des "Wachstumschancengesetzes" im Bundesrat sofort aufzugeben und dadurch den Mittelstand zu entlasten.

Symbolbild Wachstumschancengesetz - Stempel mit Aufschrift Wachstumschancengesetz und Paragrafenzeichen vor Deutschlandfahne

Streit um das Wachstumschancengesetz

"Es steht nichts weniger auf dem Spiel als die Rettung des deutschen Mittelstands", heißt es in dem am Sonntag veröffentlichten Schreiben. Dieser bilde 99 Prozent aller Unternehmen und damit "das Rückgrat der deutschen Wirtschaft". Das Gesetz müsse "schnellstmöglich" verabschiedet werden.

Schaden "politische Spielchen" der Konjunktur?

Einer der Verfasser des Brandbriefs ist Christoph Ahlhaus, Geschäftsführer des Bundesverbandes der mittelständischen Wirtschaft (BVMW). Er ist selbst CDU-Mitglied und war ab 2010 für kurze Zeit Regierender Bürgermeister in Hamburg. Er betonte in der ARD die Dringlichkeit des Gesetzes angesichts der schlechten wirtschaftlichen Lage.

"Und in dieser Situation erleben wir politische Spielchen, blockiert die Union das Wachstumschancengesetz", sagte er. Bundeslandwirtschaftsminister Cem Özdemir (Grüne) sagte in der ARD, die Union dürfe das Gesetz nicht "aus parteipolitisch kleiner Münze kaputtmachen".

Friedrich Merz, CDU-Parteivorsitzender, spricht beim Politischen Aschermittwoch des CDU-Landesverbands Thüringen in der Festhalle der Vereinsbrauerei Apolda.

Bauern entlasten: Merz stellt Bedingungen

CDU-Chef Friedrich Merz verteidigt hingegen die Position der Union. Es ginge nicht, dass die Landwirtschaft ein Drittel dessen bezahle, was der Bund bereit sei, zur Verfügung zu stellen, sagte er der ARD. Zudem betonte er, dass auch die SPD-geführten Bundesländer Niedersachsen und Mecklenburg-Vorpommern das Gesetz in den Vermittlungsausschuss verwiesen hatten. Die Länder befürchten, dass die geplanten Steuererleichterungen zu große Löcher in ihre Haushalte und in die der Kommunen reißen könnten.

Ökonomen: Unsichere Lage vergleichbar mit "Brexit"

Neben dem BVMW haben 17 weitere Verbände den Brief unterschrieben, darunter der Bundesverband IT-Mittelstand, der Eigenheimerverband, der Bundesverband Digitale Wirtschaft und der Bundesverband Taxi. Neben der Opposition nahmen die Verbände auch die Regierung in die Pflicht: "Weder parteitaktische Spielchen noch Streitereien innerhalb der Ampel-Bundesregierung dürfen dieses so wichtige Signal jetzt verschleppen", heißt es dort.

Führende deutsche Ökonomen sehen in den Querelen innerhalb der Ampel-Koalition einen der Gründe für die schlechte Wirtschaftslage. Der Präsident des Ifo-Instituts, Clemens Fuest, sagte dem "Tagesspiegel": "Die Politikunsicherheit in Deutschland ist derzeit so hoch wie in Großbritannien im Jahr des Brexit." Die Bundesregierung müsse ihre internen Differenzen überwinden, um Sicherheit über den weiteren Kurs der Wirtschafts- und Klimapolitik zu schaffen.

NRW-Wirtschaft schwächer als der Bundesschnitt

In NRW dürften die wirtschaftlichen Probleme Experten zufolge noch einmal stärker ausfallen aus im Bundesschnitt. So rechnete das Leibniz-Institut für Wirtschaftswachstum (RWI) bereits im vergangenen Herbst damit, dass das Wachstum in NRW 0,5 Prozent geringer ausfallen werde als im Bund. Der Grund: "Hohe Energiekosten und eine schwache Weltkonjunktur", teilte die Landesregierung mit.

Laut der IHK-Initiative Rheinland sind die sechs IHK-Bezirke in der Region wirtschaftlich schwach ins Jahr 2024 gestartet. "Die Rahmenbedingungen für die Unternehmen sind weiterhin schwierig", hieß es in einer Mitteilung. "Zu den hohen Energiekosten kommen globale Konflikte und die Haushaltskrise des Bundes."

Über dieses Thema berichten wir auch in WDR aktuell um 12.45 Uhr.

Unsere Quellen:

  • BVMW
  • AFP
  • dpa
  • Bundesregierung
  • tagessschau.de
  • Tagesspiegel