No-Covid oder Lockdown-Ende: So könnte es langfristig weitergehen

Stand: 19.01.2021, 19:49 Uhr

Das Interesse an Alternativen zum harten Lockdown ist groß. Mit No-Covid und der Haltung "Leben mit dem Virus" haben sich zwei unterschiedliche Strategien herausentwickelt.

Von Christian Wolf

Im Frühjahr, als die erste Corona-Welle anrollte, waren sich fast alle einig. Das Ziel lautete: 'Flatten the curve' und 'Stay home'. Die Menschen sollten zuhause bleiben, damit die Kurve der Infektionen abgeflacht und das Gesundheitssystem nicht überlastet wird.

Doch diese Zeiten großer Einigkeit sind vorbei. Mittlerweile gehen die Meinungen, wie wir mit dem Virus umgehen sollen, weit auseinander. Denn der aktuelle Lockdown bremst zwar offenbar die Dynamik. Aber von einer wirklichen Entspannung kann nicht die Rede sein.

In der öffentlichen Debatte werden deshalb vor allem zwei "Denkschulen" diskutiert. Die eine sagt, dass wir Corona nicht bekämpfen können und uns deshalb auf eine neue "Normalität" einstellen müssen. Die andere sagt: Jetzt hart durchgreifen, um das Virus zu besiegen. Beide Wege haben prominente Fürsprecher.

Expertenrat: "Mit dem Virus leben"

So wird die erste "Denkschule" von einem Großteil des Corona-Expertenrates der NRW-Landesregierung vertreten. Erst am Montag haben sie eine neue Stellungnahme veröffentlicht. Darin steht: Die Entscheidungen sollten aus einem "Verständnis künftiger Normalität" getroffen werden, "öffentlich und privat mit diesem Virus leben zu können". Konkret werden "Schutzkonzepte für Alten- und Pflegeheime", Masken in der Öffentlichkeit und Hygienekonzepte genannt. Zudem ist die Rede von einer Weiterentwicklung der Corona-App und einer besseren Digitalisierung der Verwaltung.

Zu den Unterzeichnern gehören der Kölner Wirtschaftswissenschaftler Michael Hüther und der Bonner Virologe Hendrik Streeck. Beide hatten sich bereits kritisch und zum Teil ablehnend zum Lockdown geäußert.

No-Covid will das Virus besiegen

Aber auch die andere "Denkschule" hat bekannte Unterstützer. So wird die Initiative No-Covid vom Kölner Mediziner Michael Hallek, der Virologin Melanie Brinkmann und dem Ökonomen Clemens Fuest mitgetragen. Deren Ziel: ein schnelles Absenken der Infektionszahlen auf Null. "Wir müssen das Ziel No-Covid klar vor Augen haben und einen gesellschaftlichen Konsens herstellen, dass wir als Gesellschaft nicht mit dem Virus leben wollen und können, sondern es besiegen wollen."

Gegenden, in denen es fast keine Neuinfektionen mehr gibt, sollen zu "grünen Zonen" erklärt und die Bewohner mit mehr Normalität belohnt werden. Außerhalb soll es weiterhin strikte Kontakt- und Mobilitätseinschränkungen geben. Die Aussicht darauf, auch eine "grüne Zone" zu werden, soll als "motivierendes Ziel" helfen. Eine Schließung von Grenzen und Reisebeschränkungen seien für all das nicht zwingend notwendig. Wichtiger sei eine Kombination aus Tests, Kontakt-Nachverfolgungen und Quarantäne. Australien und Neuseeland habe vorgemacht, dass es funktioniere.

Eine ähnliche Initiative namens "Zero Covid" nennt ebenfalls null Ansteckungen als Ziel und fordert dafür eine wochenlange Stilllegung von großen Teilen der Wirtschaft.

Zugang zur Politik

So unterschiedlich beide Wege sind - sie finden Gehör bei denjenigen, die die Entscheidungen treffen. So hat der Expertenrat mit seiner "Mit dem Virus leben"-Haltung direkten Zugang zu NRW-Ministerpräsident Armin Laschet. Mit Melanie Brinkmann und Michael Meyer-Hermann waren am Montag gleich zwei Urheber von No-Covid bei den Expertengespräch im Kanzleramt mit dabei. Doch anstatt sich für eine der beiden Seiten zu entscheiden, läuft wohl derzeit alles erst einmal auf eine Fortsetzung der bisherigen Lockdown-Politik hinaus.

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