Immer enthemmter: Hass im Netz

Aktuelle Stunde 13.02.2024 UT Verfügbar bis 13.02.2026 WDR Von Raphael Markert

Studie sieht Hass im Netz als Gefahr für die Demokratie

Stand: 13.02.2024, 13:26 Uhr

Alarmierende Erkenntnisse einer neuen Studie: Verfasser von Hasskommentaren beherrschen zunehmend Diskussionen im Netz. Hass im Netz stelle mittlerweile einen Angriff auf die Demokratie dar, sagen die Verfasser.

Von Nina Magoley

Hass-Postings in den sozialen Medien haben zugenommen in den letzten Jahren. Zu diesem Schluss kommen mittlerweile viele Studien. Welche Auswirkungen Hass im Netz hat, zeigt eine neue, am Dienstag veröffentlichte Untersuchung des "Kompetenznetzwerks gegen Hass im Netz". Vor allem zeige sich, dass gemäßigtere Stimmen sukzessive verstummten.

Betroffene von Hassangriffen würden sich aus Diskussionen zurückziehen, viele Nutzer verließen die Social-Media-Plattformen oder schalteten sich nicht mehr in Debatten ein. Vor allem benachteiligte Gruppen würden im demokratischen Diskurs im Netz verstummen.

Knapp jeder zweite User hat Hatespeech erlebt

Für die repräsentative Studie "Lauter Hass - leiser Rückzug. Wie Hass im Netz den demokratischen Diskurs bedroht" wurden nach Angaben der Autoren vom "Kompetenznetzwerk gegen Hass im Netz" mehr als 3.000 Internetnutzer ab 16 Jahren befragt. Fast jede zweite befragte Person gab demnach an, schon einmal online beleidigt worden zu sein.

Besonders häufig von Hass im Netz betroffen seien Personen mit sichtbarem Migrationshintergrund, junge Frauen und Menschen mit homo- und bisexueller Orientierung. Jüngere Internetnutzer seien öfter betroffen als ältere - besonders junge Frauen zwischen 16 und 24 Jahren. Allerdings - darauf weisen die Verfasser hin - nutzen Jüngere auch deutlich häufiger Plattformen der Sozialen Medien, auf denen besonders viel Hatespeech zu lesen ist - insbesondere TikTok und Instagram.

Häufigster Grund: Politische Ansichten

Verschiedene Logos sozialer Netzwerke auf einem Smartphone-Display.

Hasskommentare in Sozialen Medien

Häufigster Anlass zu Hasskommentaren seien politische Ansichten oder das Aussehen. Unter den Betroffenen waren etwas mehr Menschen (19 Prozent), die sich politisch eher links einordnen, als solche, die sich rechts (16 Prozent) oder mittig (10 Prozent) einordnen. Besonders Sympathisanten der Politik der Grünen erleben demnach Hass im Netz, der sich auf ihre politischen Ansichten bezieht.

Meinungsvielfalt in Gefahr

Als Folge sehen die Autoren ein Schrumpfen der Meinungsvielfalt im Netz: Mehr als die Hälfte aller Befragten gab an, sich seltener im Internet zur eigenen politischen Meinung zu bekennen oder sich seltener an Diskussionen zu beteiligen, um Hasskommentare gegen sich selbst zu vermeiden.

Und die Autoren gehen noch weiter: Mittlerweile sei nicht mehr von einem "schleichenden Angriff auf unsere Demokratie" zu reden, ...

..."vielmehr muss man von einem offenen und unverhohlenen Versuch sprechen, die Grundwerte und Prinzipien unserer Demokratie durch Hass im Netz systematisch zu untergraben." Autoren der Studie "Lauter Hass - leiser Rückzug"

Auch andere Studien kämen zu diesen Schlüssen, sagt Andreas Zick, Professor für Konfliktforschung an der Uni Bielefeld. Seiner Beobachtung nach werde "die Demokratiegefährdung und -destabilisierung durch Hate-Speech unterschätzt und nicht überschätzt". Viele Gruppen und Einzelpersonen würden sich aus Diskussionen zurückziehen. "Hassreden suchen zentral eine Herabwürdigung und Angriffe auf Personen - nicht Dialog, Kommunikation und Austausch."

"Linke Hassreden gibt es kaum"

Professor Andreas Zick, Leiter des Instituts für Interdisziplinäre Konflikt- und Gewaltforschung (IKG) an der Universität Bielefeld

"Bessere Aufarbeitung nötig": Konfliktforscher Andreas Zick

"Hassrede soll mundtot machen", sagt Zick weiter: Menschen zögen sich aus Online-Diskussionen zurück, wenn sie merken, "dass ihnen verzerrte Meinungen unterstellt werden und dass es keine Kommunikation auf Augenhöhe gibt". Neben Frauen und Menschen mit Migrationsgeschichte seien vor allem Menschen betroffen, "die sich in Themenfeldern engagieren, die der Rechtsradikalismus und -populismus besetzen möchte". Linke Hassreden, so der Forscher, gebe es "kaum".

Kommentare besser moderieren

Was ist zu tun? "Eine gute Verfolgung und rechtliche Aufarbeitung hilft schon mal", sagt Zick. Wenn Betroffene die Möglichkeit hätten, die Angriffe auf sie anzuzeigen und Täter auch verfolgt würden, sei es weniger wahrscheinlich, dass sie sich zurückziehen. Auch sorgfältige Moderationen von Kommentarspalten könnten helfen.

Damit sich Betroffene nicht aus der Diskussion zurückziehen, sei es auch wichtig, den Stress und die Belastungen, die durch Hassrede entstehen, zu bewältigen. Zum Beispiel durch einen "präventiven Aktionsplan statt einer Aufarbeitung im Nachhinein". Dazu müssten alle Formen von Aggressionen und Gewalt, die in Hassrede stecken, ins "Hellfeld" geholt und aufgearbeitet werden.

Podcast der Berliner Polizei

Als positives Beispiel nennt Konfliktforscher Zick den Podcast "Tatmotiv Hass" der Berliner Polizei. Zick, aber auch andere Experten aus Wissenschaft, Zivilgesellschaft, Justiz und Polizei kommen darin zu Wort, berichten von ihren persönlichen und beruflichen Erfahrungen. Mit dem Podcast will die Polizei nach eigenen Angaben "für die fatalen Auswirkungen von Hassdelikten sensibilisieren und die Handlungssicherheit von und im Umgang mit Betroffenen stärken".

Meldestelle des Bundeskriminalamts soll ausgebaut werden

Aber auch die Politik will aktiver werden. Im Zusammenhang mit einem Maßnahmenpaket gegen Rechtsextremismus, das Bundesinnenministerin Nancy Faeser (SPD) am Dienstag vorgestellt hat, wurden auch Schritte gegen Hass im Netz präsentiert. Unter anderem hieß es, die Zentrale Meldestelle für strafbare Inhalte im Internet beim Bundeskriminalamt (BKA) werde weiter ausgebaut. Außerdem sollten rechtsextremistische Inhalte aus dem Internet entfernt werden.

Hass und Hetze: Was können wir tun?

WDR 5 Mittagsecho 13.02.2024 10:58 Min. Verfügbar bis 12.02.2025 WDR 5


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Unsere Quellen:

  • Studie zu Hass im Netz in Deutschland
  • Aussagen des Konfliktforschers Andreas Zick
  • Informationen des Bundesinnenministeriums

Über dieses Thema berichtet der WDR am 13. Februar 2024 unter anderem in den Hörfunknachrichten.

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