Härtere Urteile nach der Silvesternacht?

Richter sind der Unschuldsvermutung verpflichtet

Stand: 29.01.2016, 14:35 Uhr

  • Strengere Urteile nach der Kölner Silvesternacht?
  • Polizisten verärgert über lasche Justiz
  • Richter verteidigen ihre Unabhängigkeit
Ein Mann in Handschellen

"Socken geklaut - sechs Monate Haft", titelt eine Boulevardzeitung am Freitagmorgen. Diese Schlagzeile trifft auf eine Diskussion, die derzeit auch zwischen Polizisten und Richtern geführt wird. Der Vorwurf vieler Ermittlungsbeamter: die Justiz gehe zu lasch mit Tätern um. Das gipfelt in Zitate, wie: "Die sind schneller wieder aus der U-Haft raus als wir zurück auf der Wache." Kritisiert wurden damit junge Männer, die immer wieder bei Klauen von Taschen erwischt wurden, die mutmaßlich aus Nordafrika stammen und damit ihren Lebensunterhalt finanzieren sollen.

Polizisten sehen andere Urteilspraxis

Die zahlreichen Übergriffe in der Silvesternacht sollen nun aber zu einem Umdenken bei den Juristen geführt haben. Das wollen Beamte beobachtet haben. In der Sendung "Nach Köln: Was muss sich ändern?" sagte Rüdiger Thust vom Bund Deutscher Kriminalbeamter: "Es gibt Entwicklungen dieser Art, die uns positiv stimmen." Das jüngste Urteil einer Kölner Richterin wird nun in diese Richtung gedeutet, dass die Justiz ihre Auffassung geändert habe. Arnold Plickert glaubt auch, dass sich etwas geändert hat "Wenn ich das Urteil sehe, ja." Es sieht das positiv für die Beamten im Streifendienst. "Die Kollegen begrüßen das." Viele hätten bislang das Gefühl gehabt, die Verfahren würden zu lange dauern und am Ende eingestellt, vielleicht mit einer Geldstrafe.

"Juristisches Fehlverständnis"

Diesem Bild einer neuen Ausrichtung der Rechtsprechung der Justiz widerspricht der Vorsitzende des Bundes der Richter und Staatsanwälte in NRW, Christian Friehoff. Zum zitierten Fall sagt er: "Ich denke, die Kollegin hätte vor einem halben Jahr nicht anders geurteilt. Immerhin ging es um ein Verbrechen des räuberischen Diebstahls und eben nicht allein um Socken zu 2,99 €." Er geht davon aus, dass der Ansatz falsch sei, da jedes Verfahren in individuell entschieden werden müsse und nicht im Sinne einer juristischen Preisliste. Auch der immer wieder gegen die Justiz gemachte Vorwurf, es werde zu milde geurteilt, lasse sich statistisch nicht belegen, so Friehoff. "Ich glaube, das beruht auf einem juristischen Fehlverständnis, denn allein eine große Zahl von Ermittlungsverfahren bedeuten nicht unbedingt, dass jemand schuldig ist oder dass eine vermutete Schuld bewiesen werden kann. Gerade das zu klären ist Aufgabe der Staatsanwaltschaften und Gerichte, nicht der Polizei." Die Arbeit der Gerichte hinge aber von der Ermittlungsqualität der Polizeibeamten ab.

Gemeinsame Probleme bewältigen

Der Vorsitzende des Richterbundes wünscht sich vielmehr, dass Juristen und Polizisten gemeinsam die Probleme angehen, die es bei der Strafverfolgung gibt. Ein Problem, dass sowohl Richter als auch Ermittler beklagen, ist der Personalmangel in den Amtszimmern. Einig sind sich beide Seiten auch, was die Rechtsstaatlichkeit angeht. Die dürfe nicht infrage gestellt werden. Allerdings kann sich Arnold Plickert vorstellen, dass es nach einem Urteil eine Zusatzmaßnahme für bestimmte Täter gibt: "Wer Gast in unserem Land ist und massiv gegen unsere Werte verstößt, dem muss man das Gastrecht entziehen." Dies sei man der großen Mehrheit der Flüchtlinge schuldig, die vollkommen friedlich seien. Für ein kühles Überlegen setzt sich Christian Friehoff ein: "Es ist gut, wenn wir Probleme offen diskutieren. Mich beunruhigt aber die Panik und Unsachlichkeit, mit der das Thema jetzt Lösungen diskutiert werden." Ein Eindruck den auch die Gewerkschaft der Polizei teilt.

Weitere Themen