Der blinde Fotograf

Lokalzeit aus Duisburg 22.11.2023 Verfügbar bis 22.11.2025 WDR Von Christian Richter

Blinder Hobbyfotograf: "Meine Augen haben nie gelernt, richtig zu sehen"

Stand: 22.11.2023, 20:00 Uhr

Norman von der Weydt aus Duisburg liebt die Fotografie. Er kann seinem Hobby aber nicht einfach nachgehen, denn er ist fast blind und kann nur etwa einen Zentimeter weit sehen.

Von Christian Richter

Über dem Duisburger Zoo ist der Himmel am Vormittag grau, aber Regen wird zum Glück erst am Nachmittag erwartet. Ideale Voraussetzungen für eine Foto-Tour. Der 29 Jahre alte Norman von der Weydt ist heute mit der Kamera unterwegs. Sie ist sein erweitertes Auge.

"Meine Augen haben nie gelernt, richtig zu sehen"

Der Duisburger schlendert mit seinem Blindenstock durch den Zoo, die Kamera griffbereit. Norman kann seit seiner Geburt fast nichts sehen gilt mit einer Sehkraft von weit unter einem Prozent gesetzlich als blind. "Es ist ein genetischer Fehler. Meine Augen haben nie gelernt, richtig zu sehen und das werden sie auch nicht mehr – das liegt an der Schwäche des Sehnervs."

Nahaufnahme eines Mannes, der durch den Sucher seiner Kamera blickt

Die Kamera als erweitertes Auge: Norman nutzt den Sucher seiner Kamera für Zoom und Fokus

Scharf sehen kann Norman nur etwa einen Zentimeter weit, danach wird alles zu "bunter Matsche". Er befindet sich also ständig im Makromodus, wie er humorvoll sagt, vergrößert mithilfe seiner Kamera seine Umwelt.

Die Kamera als Fernrohr

Davon unbeirrt, fotografiert Norman seit sieben Jahren hobbymäßig. Auf der Suche nach dem perfekten Motiv läuft er am liebsten durch Zoos wie in Duisburg oder Gelsenkirchen. Ab und zu bleibt er stehen und wirft einen Blick durch seine Kamera. Zoom und Autofokus dienen ihm als "Fernrohr, um Distanzen zu überwinden". So kann er beispielsweise Zootiere für einen Schnappschuss erfassen.

Die Fotos sind zwar immer nur eine Momentaufnahme, aber wenn ich meine Bilder sichte, habe ich das Gefühl, richtig sehen zu können. Norman von der Weydt

Kontraste, Umrisse, Konturen und Farben

Norman hat im Laufe seines Lebens gelernt, mit der Blindheit umzugehen. Autofahren darf er nicht, weshalb er viel mit Bus und Bahn unterwegs ist. "Google Maps und ein unendliches Datenvolumen sind mein bester Freund." Außerdem treffe er immer wieder nette und hilfsbereite Menschen, "um nicht in Buxtehude zu landen."

Ein dunkel gekleideter Mann mit Sonnenbrille und Blindenstock steht vor einem Tiergehege im Zoo

Normans Lieblingsmotive sind Pflanzen und Tiere, weshalb er am liebsten in Zoos unterwegs ist

Norman ist ausgebildeter Koch. Farbige Kleidung, farbige Messer, ein erhöhtes Schneidebrett – mit solchen Hilfsmitteln findet er sich in der Küche zurecht. Er arbeitet mit Kontrasten, Umrissen, Konturen und Farben, genau wie bei der Fotografie.

Technik ersetzt, was die Augen nicht leisten können

Die Technik der Kamera ist für Norman also sehr wichtig. Sie ersetzt gewissermaßen das, was seine Augen nicht leisten können: Fokussieren, entfernte Objekte "heranholen" und scharfstellen.

Fotogalerie: Die Bilder des blinden Fotografen

Seit sieben Jahren fotografiert von der Weydt inzwischen in den Zoos im Ruhrgebiet. Eine kleine Auswahl seiner Fotografien.

Ein Lemur sitzt auf einem Stein und zeigt den Mittelfinger

Ein Lemur zeigt dezent den Mittelfinger in die Kamera

Ein Lemur zeigt dezent den Mittelfinger in die Kamera

Pflanzen gehören zu von der Weydts Lieblingsmotiven

Ein roter Panda nimmt eine Mahlzeit zu sich. Oder streckt er frech seine Zunge raus?

Diesen Gepard hat von der Weydt während einer kurzen Pause erwischt

Ein Schmetterling, aufgenommen im Makromodus

Ein paar Waschbären blicken offensichtlich etwas Leckerem entgegen

Nach dem Fotografieren ist vor der Bildbearbeitung

Oft geht Norman von einer Zoo-Tour mit 2.000 Bildern nach Hause. Diese muss er dann erst mal sichten. "Natürlich sind 70 Prozent davon Schrott, weil der Fokus nicht geklappt hat oder die Kamera den Rasen hinter dem Tier fokussiert hat. Ich picke dann die Rosinen raus."

Ein Mann sitzt am Laptop, den Kopf aufgrund seiner Sehbehinderung dabei sehr nah am Bildschrim

Weil er nur einen Zentimeter weit sehen kann, arbeitet Norman extrem nah am Bildschirm

Norman schießt aber nicht nur Fotos und lässt sie auf den Festplatten alt werden, er bearbeitet die Bilder auch noch nachträglich am Computer – wieder im Makromodus, einen Zentimeter vom Bildschirm entfernt. Retuschieren, aufhellen und sättigen. Die fertigen Fotos lädt er in Foto-Communities hoch oder schmückt damit seine Wohnung.

Depressive Phasen überwinden

Normans Message: Blindheit und Fotografie schließen sich nicht gegenseitig aus. "Ich hatte 29 Jahre Zeit, damit konform zu gehen. Natürlich gibt es ab und zu depressive Phasen, aber die überwindet man recht schnell. Ich habe nur zwei Möglichkeiten: mich darüber beschweren und heulend in der Ecke sitzen oder meinen Mann stehen!"

Auch anderen Menschen rät Norman, sich von nichts und niemandem Steine in den Weg legen zu lassen. "Macht euer Ding, wenn ihr für irgendetwas brennt!"