Elektro-Azubis von der Elfenbeinküste

Lokalzeit aus Aachen 13.11.2023 Verfügbar bis 13.11.2025 WDR Von Michael Esser

Elektro-Azubis von der Elfenbeinküste

Stand: 14.11.2023, 17:45 Uhr

Keine Lehrlinge, keine Fachkräfte - darüber klagen Handwerksfirmen immer häufiger. Eine Elektrofirma aus Merzenich im Kreis Düren hat eine ungewöhnliche Lösung gefunden: Drei Azubis von der Elfenbeinküste.

Für Oumar, Martial und Bazoumanan ist der Auftrag auf der Baustelle am Dienstagmorgen fast schon Routine. Die drei Elektro-Azubis von der Elfenbeinküste sollen Kabel verlegen. Länge anzeichnen, 12 Meter diesmal, Kabel ausrollen, auf Maß kappen und in drei Meter Höhe montieren – kein Problem. Die drei sind bei Düren auf einer Baustelle für ein großes Restaurant im Blockhaus-Stil eingesetzt. Sauber, schnell und genau arbeiten, für sie kein Problem. Und auch den ein oder anderen Bauarbeiterspruch hat der 25-jährige Oumar Guindo schon drauf.

"Ich habe Germanistik studiert. Das hier ist ein neuer Bereich. Ich wusste schon, dass es nicht so einfach sein könnte. Aber wie man so sagt: Geht nicht, gibt's nicht. Man muss immer am Ball bleiben, immer lernen, immer bereit sein, immer zuhören. Und ich glaube, wir schaffen das."

Gute Deutschkenntnisse

Martial Okoan

Es ist kein Zufall, dass er das in sehr gutem Deutsch sagt. In der Elfenbeinküste hat er die Sprache studiert, wie auch sein gleichaltriger Mit-Azubi Bazoumanan Doumbia. Martial Okoan, 28, hat ein Informatikstudium beendet und zwei Jahre lang Deutschkurse absolviert. Die drei bringen gute Vorkenntnisse mit. Verständigung auf der Baustelle mit den Kollegen aus der Firma und den anderen Arbeitern – nicht wirklich ein größeres Problem. Martial Okoan, der Informatiker, freut sich über die neuen Herausforderungen, erzählt er voller Stolz:

Ich bin sehr zufrieden mit meiner Arbeit. Ich mag das. Ich habe das in der Schule gelernt. Aber es gab da kein Praktikum. Hier mache ich fast nur Praxis. Das finde ich sehr gut. Martial Okoan

Drei Azubis sind auf Baustelle gut integriert

In ihren Blaumännern mit dem Zollstock in der Beintasche, den roten Schneide- und Klemmzangen am Gürtel sehen die drei genauso professionell aus wie die anderen Männer auf der Baustelle. Zur gemeinsamen Pause geht’s in den Firmenwagen, auf dem Weg dahin ist ein typisches „Mahlzeit“ zu hören. Bei Fragen helfen Vorarbeiter und Kollegen weiter. Noch mehr als drei Jahre reguläre Ausbildung liegen vor den Azubis. Was dann passiert, ist noch offen. Aber Bazoumanan Doumbia, ein Mittzwanziger wie die anderen, hat schon eine Vorstellung.

"Ich wollte was mit Handwerk machen, weil mein Vater war auch Handwerker. Ich habe dann Germanistik studiert und dann kam die Chance für die Deutschlanderfahrung. Mit dieser Ausbildung hier habe ich mehr Gelegenheiten auf dem Arbeitsmarkt. Vielleicht arbeite ich erstmal hier, sammele eine Menge Erfahrungen und kann dann zurück in mein Land gehen."

Elektrofirma mit Azubis aus 26 Nationen

Im August haben die drei ihre reguläre Ausbildung zum Energie- und Gebäudetechniker begonnen. Firmenchef und Elektromeister Bernd Ohlemeyer ist sehr zufrieden, wie sie sich in den ersten Monaten behauptet haben. In seiner Firma bildet er schon seit Jahrzehnten Menschen mit Migrationshintergrund aus. Der erste war 1991 ein junger Pole, es folgten Osteuropäer, Araber, Asiaten und jetzt das Trio aus Afrika. Seine Erfahrungen mit Azubis aus insgesamt 26 Nationen seien durchweg positiv, schildert er:

Von den fünf Flüchtlingen, die wir 2015 aufgenommen und ausgebildet haben, ist Paul aus Nigeria noch bei uns, einer ist bei der Deutschen Bahn und drei sind bei anderen Firmen. Aus allen ist etwas geworden. Bernd Ohlemeyer, Firmenchef

Natürlich gebe es bei vielen Nationalitäten und kulturellen Unterschieden auch mal Reibereien, in der Firma oder auf der Baustelle. Aber nichts, was sich nicht mit Offenheit, Toleranz und Klarheit regeln ließe. Reaktionen bei Kunden, da kämen doch jetzt Afrikaner ins Haus, seien selten. Auch da keine Hürde, die sich nicht mit einer Gegenfrage überwinden ließe: „Und – ein Problem?“

Netzwerk in der Elfenbeinküste

Während die meisten Azubis mit Migrationserfahrung bei ihrer Bewerbung bereits in Deutschland lebten, haben sich Oumar, Martial und Bazoumanan aus ihrem Heimatland Elfenbeinküste beworben. Ohlemeyer ist in dem Sub-Sahara-Land mit privaten Hilfsprojekten engagiert, reist häufig dorthin und kann dort auf ein Netzwerk zurückgreifen. Trotzdem zog sich das bürokratische Verfahren mehr als zwei Jahre hin und verursachte für ihn und die drei Azubis Kosten.

Dürener Kreisverwaltung hat unterstützt

Besonders bei bürokratischen Fragen zu Einreisehürden, Dokumenten, Ausbildungsvoraussetzungen und vielen anderen Dingen hat immer wieder die Dürener Kreisverwaltung geholfen. Die Behörde hat seit 2015 viele Willkommensstellen aufgebaut, zahlreiche Beratungs- und Hilfeangebote für Zugewanderte eingerichtet. Das Ausbildungsprojekt hier aber sei selbst für die erfahrene Kreisverwaltung eine besondere Herausforderung gewesen. Umso mehr sollte der einmal gefundene Weg begangen werden, sagt die für Integration zuständige Kreis-Dezernentin Sybille Haußmann.

Zu Weihnachten nach Aachen, Köln und Bonn

Oumar, Martial und Bazoumanan als Fachkräfte-Pioniere von der Elfenbeinküste – das ist für die drei jungen Männer kein Thema. Sie sind erstmal ein festes Team bei der Arbeit und darüber hinaus. In nächster Zeit wollen sie dann von Düren aus Köln, Aachen und Bonn besuchen. Vielleicht schon zu Weihnachten.

Über dieses Thema berichteten wir auch am 13.11.2023 in der WDR Lokalzeit aus Aachen.