Der angeklagte Rentner, links. Verteidiger Henning Hußmann, rechts.

Urteil: Erwürgte Ehefrau in Nettetal - vier Jahre Haft

Stand: 19.06.2024, 16:56 Uhr

Weil er vor acht Monaten seine Ehefrau erwürgt und vier Wochen mit ihrer Leiche im gemeinsamen Haus in Nettetal gelebt hatte, musste sich seit Mai ein Rentner wegen Totschlags am Landgericht in Krefeld verantworten.

Von Martin Höke

Am Mittwoch wurde der 66-jährige Ehemann wegen Totschlags in einem minderschweren Fall zu vier Jahren Haft verurteilt. Nach Auffassung eines Gutachters war der Angeklagte wegen eines erst im Frühjahr entfernten walnussgroßen Hirnödems zur Tatzeit in seiner Handlungskontrolle aber eingeschränkt und damit nur vermindert schuldfähig.

Jahrelanges Ehe-Martyrium

Dieser Einschätzung folgte die Strafkammer. Die Richter hielten dem Mann zugute, dass er jahrelang von seiner bettlägrigen, thrombosekranken und schwer übergewichtigen Frau tyrannisiert, erniedrigt, beleidigt und geschlagen worden sei und "ein weiterer Vorfall am Tattag bei dem 66-Jährigen "das Fass zum Überlaufen gebracht hat."

Erst Tage nach der Tat Leichnam in Leichensack gesteckt

Nach Überzeugung des Gerichts hat der Rentner am 22. Oktober seine bettlägrige Ehefrau erwürgt und dann mit dem Leichnam einen Monat lang in dem Einfamilienhaus gelebt. Die Leiche der Frau wurde erst einen Monat später später entdeckt. Anlass war ein Klinikaufenthalt des Angeklagten. Der 66-Jährige hatte sich einen Hüftbruch zugezogen und musste operiert werden.

Leiche nur wegen Klinikaufenthalt gefunden

Den Ärzten war aufgefallen, dass die pflegebedürftige Frau des Patienten allein zu Hause war. "Da zu befürchten war, dass sie dringend medizinische Hilfe benötigen könnte, informierte das Krankenhaus das Ordnungsamt und die Polizei Viersen, die gemeinsam das Wohnhaus des Paares in Nettetal aufsuchten", hieß es damals in einer gemeinsamen Erklärung von Polizei und Staatsanwaltschaft.

Angeklagter Ehemann kann sich nur schwer erinnern

Der offenbar schwerkranke Angeklagte ist im Justizkrankenhaus im sauerländischen Fröndenberg untergebracht. Zum Auftakt hatte der 66-Jährige betont, er könne sich an die Tat nicht mehr erinnern.

In der Folge schilderte er aber ein jahrelanges Ehe-Martyrium. Das habe mit der schweren Erkrankung seiner Frau begonnen. Deren Zustand habe sich in den vergangenen vier bis fünf Jahren stetig verschlechtert, sagte der 66-Jährige. Zuletzt habe seine Frau nur noch im Sessel gelegen, ihn beleidigt und wiederholt massiv mit ihrem Stock geschlagen.

Schläge brachten Fass zum Überlaufen

So war es wohl auch am Tattag, berichtete der Verteidiger. Das habe ihm sein Mandant noch Anfang des Jahres erzählt. "Irgendwann hat er ihren Hals umfasst und drückte zu, bis Ruhe herrschte." Der 66-Jährige sagte im Prozess, er wisse noch, dass er sie "tot da liegen" sah und, dass er irgendwann Leichensäcke übers Internet bestellte und sie in einen solchen "gepackt" habe.

Staatsanwalt wollte höhere Strafe

Der Staatsanwalt hatte für den gesundheitlich stark angegriffenen Rentner sechs Jahre und sechs Monate Haft wegen Totschlags in einem minder schweren Fall gefordert. Sein Verteidiger Henning Hußmann hatte dagegen eine Bewährungsstrafe angeregt. Er verwies darauf, dass sein Mandant "schon durch das Martyrium der letzten Jahre genug gestraft ist und alles verloren hat."

Das Urteil ist noch nicht rechtskräftig.

Unsere Quellen:

  • Reporter vor Ort
  • Landgericht Krefeld

Über das Thema berichtet der WDR am 19.06. auch im Fernsehen in der Lokalzeit aus Düsseldorf und im Hörfunk auf WDR 2.