Reportage in Hotel: Lebensmittelverschwendung am Buffet

Aktuelle Stunde 28.08.2023 11:10 Min. UT Verfügbar bis 27.08.2025 WDR Von Timo Spicker

Warum Lebensmittel in der Gastronomie massenhaft im Müll landen

Stand: 28.08.2023, 19:26 Uhr

Übervolle Buffets, zu große Portionen, üppig kalkulierte Mengen: In Hotels und Kantinen landet jeden Tag tonnenweise Essen im Müll. Wie Restaurants und Verbraucher gutes Essen retten können.

Von Claudia Wiggenbröker

Aus dem letzten Urlaub kennen viele den Anblick überladener Frühstücks-Buffets, bei denen immer zu viel übrig bleibt. Auch in vielen Kantinen, Restaurants oder Krankenhaus-Küchen landet ein großer Teil der Speisen einfach in der Mülltonne. Eine unnötige Verschwendung, kritisieren Umweltverbände und auch Bundesernährungsminister Cem Özdemir (Grüne).

"Lebensmittelverschwendung ist ein großes Problem, das gerade mit Blick auf die Klimakrise dringend angepackt werden muss - und zwar überall dort, wo Lebensmittel tatsächlich verschwendet werden." Cem Özdemir

Wie viel wird weggeworfen?

Elf Millionen Tonnen Lebensmittel schmeißen wir in Deutschland nach aktuellen Zahlen des Ernährungsministeriums jährlich in den Müll. Der Großteil davon geht auf das Konto privater Haushalte. Dann folgt die so genannte Außer-Haus-Verpflegung - also zum Beispiel Restaurants, Caterer und Kantinen. Hier entstehen 17 Prozent der Lebensmittel-Abfälle. Insgesamt landen in diesem Sektor fast zwei Millionen Tonnen Essen jährlich im Müll. Einer der Gründe: zu große Mengen am Buffet.

Deutschland hat sich 2019 erneut dem Ziel der Vereinten Nationen verpflichtet, bis 2030 die Lebensmittelverschwendung pro Kopf auf Einzelhandels- und Verbraucherebene zu halbieren. Abfälle, die in der Produktion oder während des Transports entstehen, sollen ebenfalls verringert werden. Verbindliche Reduzierungsziele gibt es dafür aber noch nicht.

Was kostet die Verschwendung die Gastro-Betriebe?

Die jährlichen Lebensmittel-Abfallmengen pro Küche belaufen sich auf durchschnittlich knapp 28 Tonnen. Das hat das Thünen-Institut ermittelt, das zum Bundeslandwirtschaftsministerium gehört und die nachhaltige Weiterentwicklung der ländlichen Räume erforscht. Pro Mahlzeit fallen demnach knapp 100 Gramm Müll an.

Basis für diese Schätzung sind unter anderem Interviews mit Küchenchefinnen und -chefs. Lebensmittel wegzuwerfen, kostet Geld: die Verluste summieren sich auf etwas über 100.000 Euro pro Jahr und Küche, umgerechnet etwa 38 Cent pro Mahlzeit.

Gründe für das Wegwerfen sind unter anderem Fehlbestellungen, unterbrochene Kühlketten oder Überproduktion. Auch Speisereste von Gästen landen im Müll.

Wie belasten Lebensmittelabfälle die Umwelt?

Bei der Produktion von Lebensmitteln entstehen Emissionen. In der Landwirtschaft, beim Transport und der Verpackung sowie in der Verarbeitung, der Kühlung und der Zubereitung in den Küchen. Ein Kilo Lebensmittelabfall verursacht rund 2,1 Kilogramm unnötige CO2-Äquivalente. Diese Maßeinheit macht die Klima-Wirkung verschiedener Klimagase wie Methan oder Lachgas vergleichbar. Pro Küche und Jahr sind das 58 Tonnen CO2-Äquivalente, schätzt das Thünen-Institut.

Weltweit geht sogar die Hälfte der Emissionen aus der Lebensmittelproduktion allein auf Abfälle und Verluste zurück - rund 9,3 Milliarden Tonnen. Das hat eine Studie ergeben, die kürzlich im Fachmagazin Nature erschien.

Lebensmittel-Abfälle pro Küche pro Jahr

Hinzu kommen Wasser, Energie und Ackerflächen. In Deutschland werden mehr als 2 Millionen Hektar allein für die Verschwendung bewirtschaftet. Unter anderem werden sie mit Pestitziden behandelt, die der Artenvielfalt schaden oder Grundwasser verunreinigen können.

Wege aus dem Dilemma

Das Bundesernährungsministerium hat eine Kompetenzstelle eingerichtet, an die sich Betriebe wenden können, die die Menge ihrer Lebensmittelabfälle reduzieren wollen. Geleitet wie die Stelle vom Verein "United Against Waste". Er hat bereits einige Gastro-Betriebe begleitet, vom Hotel bis hin zu Betriebs- und Schulkantinen. Das Ergebnis: Am Ende landete durchschnittlich ein Drittel weniger in der Tonne.

Hier sind einige der Maßnahmen, die vorgeschlagen werden:

Es kleiner angehen. Gemeint ist vor allem die Größe von Tellern und Schüsseln am Buffet. "Durch kleinere Behälter und eine bedarfsgerechte Nachfüllung am Bufett können die Reste verringert werden", heißt es von der Initiative. Auch Brötchen dürfen kleiner ausfallen, damit weniger auf dem Teller zurückbleibt. Brotkörbe sollten direkt verbannt werden - mit ihnen wird oft mehr vom Buffet mitgenommen als nötig.

Warme Speisen wie Rührei sollten ab einer bestimmten Uhrzeit nicht mehr nachbestückt, sondern auf Anfrage einzeln für jeden Gast zubereitet werden. Der Mut zur Lücke ist ebenfalls eine Option: Speisen dürfen ausgehen. Á la carte sollte den Gäste eine kleinere Portionsgröße bei Gerichten angeboten werden.

Flexibilität. Eine laufende Lager-Prüfung ist nötig, um das Verderben der Lebensmittel zu verhindern. Damit das geschehen kann, muss die Küche ihre Menüs allerdings flexibel planen können.

Einige Gastronomen haben die Reste-Verwertung zum Geschäftskonzept gemacht, beispielsweise in Berlin oder Mannheim. Sie zaubern aus übrig gebliebenen Lebensmitteln ihre Menüs. Die Niederlande hat das vorgemacht: Bei "Instock" in Amsterdam kann man selbstgebrautes Bier aus geretteten Kartoffeln und Brot genießen. So bleibt Essen, das sonst nur noch kurz haltbar wäre, für ein weiteres Jahr genießbar.

Bewusstsein: Durch das Aufstellen von Info-Schildern, zum Beispiel am Tisch, können Gäste über Lebensmittel-Rettungsmaßnahmen informiert werden. Auch Schulungen für die Küchenbelegschaft werden empfohlen, damit die Beschäftigten Lebensmittel und mögliche Reste zu verwerten lernen. Auch technische Möglichkeiten wie das Vakuumieren oder Schockkühlen können helfen.

Was Verbraucher tun können

Als Gast gilt am Buffet: Lieber kleinere Mengen auf den Teller laden. Denn alles, was auf dem Tisch übrig bleibt, muss vom Gastronomie-Betrieb entsorgt werden.

Was Verbraucherinnen und Verbraucher ebenfalls tun können: Lebensmittel direkt retten und nutzen. Das funktioniert zum Beispiel über die App "Too Good To Go", die Gastronomiebetriebe mit Verbrauchenden vernetzt. Restaurants, Bäckereien, Hotels und Supermärkte können überschüssige Lebensmittel darüber zur Selbstabholung anbieten.

Interview über Wege aus der Lebensmittelverschwendung

WDR Studios NRW 28.08.2023 06:47 Min. Verfügbar bis 04.09.2025 WDR Online


Die Kunden bezahlen einen vergünstigten Preis und und holen die Ware dann in einer "Überraschungstüte" vor Ort ab. In Deutschland hat die App nach eigenen Angaben über 21.000 Partnerläden und eine Community von mehr als zehn Millionen Menschen. 

Plattformen wie "Foodsharing", UXA oder ResQ Club bieten ähnliche Dienste an. Nutzende sollten jeweils ausprobieren, ob die Dienste in ihrer Stadt verfügbar sind. Rezept-Tipps für die Resteverwertung gibt es beispielsweise bei "Zu gut für die Tonne" und "Restegourmet".

Wo wird noch Essen verschwendet?

Laut Umweltbundesamt landet jedes achte Lebensmittel in deutschen Haushalten in der Tonne. Hinzu kommt das Essen, das es nicht mal in den Verkauf schafft. Dazu zählt vor allem Obst und Gemüse, das nicht geerntet wird, weil es nicht perfekt genug ist. Solche Lebensmittel werden von Initiativen wie "The Good Food" in Köln oder "fairTeilbar" in Münster nachgeerntet und in eigenen Läden verkauft.

Verschwendung ist aber auch in der Öffentlichkeit sichtbar: Bei Bäumen, die niemandem gehören - und die eigentlich abgeerntet werden können. Die Seite mundraub zeigt, wo man solches Obst pflücken kann.  

Auch Supermärkte werfen viel weg. Bundesernährungsminister Özdemir (Grüne) kündigte an, es solle für den Handel attraktiver werden, Lebensmittel zu spenden, anstatt sie zu entsorgen. Das betrifft vor allem die vielen Tafeln. Dafür will Özdemir die rechtlichen und steuerlichen Rahmenbedingungen für Lebensmittelspenden lockern.

In anderen EU-Staaten wie Frankreich sind Supermärkte sogar gesetzlich verpflichtet, übrig gebliebene Lebensmittel an gemeinnützige Organisationen zu spenden. Auch in Tschechien müssen Supermärkte unverkäufliche Lebensmittel unentgeltlich karitativen Organisationen anbieten. 

Lebensmittelverschwendung: Spenden statt wegwerfen

WDR 2 Das Thema 06.07.2023 03:40 Min. Verfügbar bis 05.07.2027 WDR 2


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Über dieses Thema berichtet am Montag, 28.08., auch die Aktuelle Stunde im WDR Fernsehen.

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