Spielfiguren in den Farben gelb, schwarz, rot, grün

Landtagswahl: Führt an den Grünen ein Koalitionsweg vorbei?

Stand: 14.05.2022, 06:00 Uhr

Wer mit Blick auf die jüngsten Vorwahlumfragen den Rechenschieber bemüht, sieht sehr viel Grün. Werden die Grünen in NRW zur "Königsmacherin"? Und wenn ja, dann im altvertrauten Rot-Grün, einer Ampel - oder doch Schwarz-Grün?

Von Sabine TentaSabine Tenta

Ja, wir haben das schon oft hier geschrieben, dass die NRW-Landtagswahl am Sonntag spannend wird. Aber wer mit uns auf die Koalitionsoptionen schaut, weiß, warum. Beziehen wir die Fehlertoleranzen der Vorwahlumfragen mit ein und bedenken, dass es vielleicht doch nicht alle Parteien, die wir jetzt auf dem Zettel haben, in den Landtag schaffen, dann kann es allen, die Optionen ausloten, schwindelig werden.

Und es gibt noch die ungewisse Zahl der Briefwählenden und die große Zahl der noch Unentschlossenen zwischen Rhein und Weser. Der Blick in die Glaskugel wird zwar immer trüber, aber ein paar grundsätzliche Sachen lassen sich dennoch festhalten.

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Die Vorwahlumfragen

Zunächst eine Kurzzusammenfassung der jüngsten Vorwahlumfragen: Die CDU liegt knapp vor der SPD, die Grünen klettern auf ein Allzeithoch, die FDP wird gebeutelt, ist aber sicher im Landtag, die AfD ebenso. Die Linke landet klar unter fünf Prozent.

Denkbar könnten je nach Wahlausgang Regierungsbündnisse aus zwei Parteien sein:

  • CDU und SPD (Große Koalition, kurz Groko)
  • CDU und Grüne (Schwarz-Grün)
  • SPD und Grüne (Rot-Grün)

Oder aus drei Parteien:

  • CDU, Grüne, FDP (Jamaika)
  • SPD, Grüne, FDP (Ampel)

Grüne nur bei Groko außen vor

Der Blick auf die Optionsliste und das wahrscheinlich starke Abschneiden der Grünen zeigen: Die Partei mit ihrer Spitzenkandidatin Mona Neubaur könnte am Ende die Regierungsbildung entscheiden. In allen Konstellationen außer der Großen Koalition wären die Grünen schließlich dabei - und eine Große Koalition gab es in NRW noch nie.

Es könnte also sehr wahrscheinlich an den Grünen liegen, ob es in NRW bei der alten Lagerbildung bleibt oder was Neues gewagt wird. Denn trotz der drei Regierungswechsel in den letzten 16 Jahren dominieren in NRW die Lager: Entweder regierten CDU und FDP oder SPD und Grüne. Dabei hat es zwischen 2010 und 2017 sogar eine rot-grüne Minderheitsregierung geben. Selbst das war einfacher als ein Bündnis aus drei Parteien zu schmieden!

Kann Wüst auch Schwarz-Grün?

Sollten die Grünen bei annähernd gleich starken Ergebnissen für CDU und SPD die Wahl für ein Zweierbündnis haben, dann wird es wohl Rot-Grün. Der eher linke Landesverband wird sich für das vertraute Lager entscheiden. Sollte jedoch nur Schwarz-Grün eine Zweier-Mehrheit haben, dann läge es auch am Verhandlungsgeschick von Hendrik Wüst (CDU), die Grünen von einer Ampel-Beteiligung abzuhalten. Wüst, eigentlich konservativ, könnte wendig und flexibel genug sein, um dieses Bündnis zu zimmern. Aber er müsste den Grünen dafür einiges bieten. Bei der Kohlepolitik ist Wüst bereits kurz nach seinem Amtsantritt auf die Grünen zugegangen mit seiner Versicherung, dass er einen Kohleausstieg bis 2030 will - und nicht bis spätestens 2038, wie es aktuell gesetzlich geregelt ist.

Größter inhaltlicher Knackpunkt: Die innere Sicherheit. Laut Wüst ist der law-and-order-Mann Herbert Reul (CDU) bereits für eine CDU-geführte Regierung gesetzt - der Herbert Reul, der mit seinem Polizeigesetz alles an Verschärfungen rausholte, was die Verfassung hergab. Und damit die Grünen massiv gegen sich aufbrachte. Nicht nur im Kampf gegen das Polizeigesetz hat die Grünen-Co-Fraktionsvorsitzende Verena Schäffer gezeigt, dass sie eine versierte Innenpolitikerin ist. Wird sie am Ende die erste Frau in NRW, die ein Innenministerium leitet?

Die FDP braucht das Dreierbündnis

Für die Liberalen in NRW könnte es eng werden, wenn sie in bewährter Formation weitermachen wollen. Keine der jüngsten Vorwahlumfragen sieht eine Mehrheit für die aktuelle Koalition aus CDU und FDP. Die einzige Machtoption für Spitzenkandidat Joachim Stamp und seine Partei wäre ein Dreierbündnis, also Jamaika oder die Ampel. Letztere würde ein Koalitions-Äquivalent mit dem Bund herstellen und die Achse Berlin - Düsseldorf stärken.

Die Interessen der Bundesparteien

Und dann wäre da noch die Bundes-CDU und ihr Doppelchef für Partei und Fraktion, Friedrich Merz. Er hat viel zu verlieren, ebenso wie Bundeskanzler Olaf Scholz (SPD), wie Eva Quadbeck vom Redaktionsnetzwerk Deutschland im Westpol-Twitter-Spaces analysierte:

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In der CDU-Parteizentrale in Berlin werde mit Schwarz-Grün als Gegenmodell zur Ampel geliebäugelt, berichtete Quadbeck.

Sondierungskuscheln im TV-Duell?

Für den Laschet-Biografen und ehemaligen NRW-Korrespondenten des Deutschlandfunks, Moritz Küpper, war das Aufeinandertreffen von Wüst und Kutschaty "eher ein Duett als ein Duell", wie er im Twitter-Spaces sagte.

Das lag auch daran, dass die Parteiprogramme der beiden großen Parteien sich in vielen Punkten ähneln. Aber dennoch war das kein Sondierungskuscheln vor der Wahl für eine Große Koalition, inhaltliche Differenzen wurden schon deutlich.

Eine Groko ist in NRW in die Sphären des "rein Rechnerischen" entrückt. Etwas, was der Vollständigkeit halber erwähnt, aber soweit man hört, nicht von den Parteien erwogen wird. Auch, weil weder CDU noch SPD ein Interesse daran haben dürften, sich mit einem Koalitionsmodell von gestern zu profilieren.

Vielleicht geht aus dem TV-Duell zwischen Hendrik Wüst und Thomas Kutschaty ja sogar Mona Neubaur als Gewinnerin vom Platz. Oder es kommt am Ende ganz anders. Wie gesagt, es bleibt spannend bis Sonntagabend, 18 Uhr. Und wahrscheinlich sogar darüber hinaus, wenn es mehrere Koalitions-Optionen gibt.