Menschen mit bunten Plakaten demonstrieren vor dem Landtag in Düsseldorf, auf einem steht unter einem Batteriesymbol: "Wir sind am Limit".

Kommentar: Ein sozialer Protest als Weckruf

Stand: 19.10.2023, 15:50 Uhr

Vor dem Landtag haben über 20.000 Menschen gegen die schlechte Finanzlage an Kitas, im Offen Ganztag oder in der Lebenshilfe demonstriert. Jetzt muss sich etwas ändern, findet unser Autor.

Von Christoph Ullrich Christoph Ullrich

Der Blick auf die Wiese war schon imposant - mit so vielen Menschen hatten selbst Optimisten nicht gerechnet. Aber als immer mehr Berichte von überfüllten Bahnen in Richtung Düsseldorf eintrudelten, desto mehr wurde klar: Da brennt den Betroffenen etwas unter den Nägeln, was sie (mehr als sonst) auf die Straße treibt.

Politisches Spitzenpersonal staunte über Größe der Demo

Da parallel im Landtag die Ausschuss-Anhörung zum Landeshaushalt stattfand, war auch genug Spitzenpersonal der Fraktionen anwesend. Es staunte über die Größe der Demo genauso wie die Organisatoren selbst. Einige Politiker und Politikerinnen gaben sich demütig.

Grünen-Fraktionschefin Verena Schäffer wurde hier und da ausgebuht, als sie sich als erste aus dem Regierungslager auf die Bühne wagte. Was sie sichtlich irritierte und ein Stück weit auch nervte. Aber Schäffer sagte das, was die wichtigste Botschaft dieser Demo sein könnte: Sie stellte sowas wie eine Systemfrage. Für sie ergebe Schwarze Null - und damit die verfassungsrechtlich verankerte Schuldenbremse - keinen Sinn, wenn darunter die soziale Infrastruktur leidet.

Im System stimmt etwas nicht

Schon seit ein paar Tagen läuft diese Einsicht durch die Grüne Partei, sie wurde zuletzt hier und da von weniger prominenten Abgeordneten in sozialen Netzwerken vertreten. Der Regierungspartner in Düsseldorf, die CDU, wird diese Einsicht nicht teilen. Und in der Berliner Ampel, deren Teil die Grünen nun mal auch sind, wird ein mögliches Ende der Sparpolitik an der FDP scheitern.

Dabei hat Schäffer nur etwas Logisches ausgesprochen: Wenn selbst zusätzliches Geld aus dem Haushalt - so wie in NRW geschehen - von den Wohlfahrtsverbänden als Kürzung wahrgenommen wird, dann stimmt im System etwas nicht. Und dann muss man sich politisch entscheiden: Kürzt man Leistungen bei Kitas wie im Offenen Ganztag und damit für große Teile der Gesellschaft?

Mehr Umverteilung ist gefragt

Oder fragt man sich mal, ob man mit einer Schuldenbremse oder einer Schwarzen Null überhaupt weiter machen kann, ohne den sozialen Frieden zu gefährden? Den wird es nämlich ohne Fragen nach mehr Umverteilung von Reich nach Arm sowie deutlichen Investitionen bald nicht mehr so geben, wir wie ihn jetzt (noch) kennen.

Deshalb sollte die Demo heute ein deutlicher Weckruf dafür sein, dass es politisch gemeinschaftliche und große Lösungen braucht, um auch in Zukunft in einem Sozialstaat leben zu können, der diesen Namen verdient. Steht der nämlich noch mehr auf der Kippe, dann wird es ungemütlicher als es ohnehin schon ist.

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