Feuerwehrleute mit 62 Jahren in Pension?

02:02 Min. Verfügbar bis 22.04.2026

Feuerwehrleute sollen später in Pension

Stand: 22.04.2024, 06:00 Uhr

Schon im vergangenen Herbst hatte das Vorhaben für Empörung gesorgt: Die NRW-Landesregierung will das Rentenalter für Feuerwehrleute von 60 auf bis zu 62 Jahre anheben. Heute wird im Landtag darüber diskutiert.

Von Nina Magoley

Bislang gehen Beamte der Feuerwehr mit 60 in den Ruhestand. Die NRW-Landesregierung will dieses Rentenalter nun anheben. Ein Teil der Belegschaften soll mit 61 oder 62 Jahren in Rente gehen. Begründet wird das Vorhaben mit dem Fachkräftemangel.

Für die Umsetzung will die Landesregierung das Landesbeamtengesetz ändern. Am Montag soll es dazu im Landtag eine große Expertenanhörung geben. Die einzelnen Stellungnahmen dazu liegen bereits vor.

Feuerwehrleute protestieren gegen höheres Rentenalter

"60 bleibt 60": Feuerwehrleute protestieren in Essen

Betroffen sind Mitarbeitende ab dem Geburtsjahr 1966 - etwa 16.000 in Nordrhein-Westfalen. Bei ihnen stößt dieser Plan auf gewaltigen Unmut. Schon im vergangenen Herbst hatten Feuerwehrleute in verschiedenen Städten des Landes dagegen protestiert. In Düsseldorf hielten Gewerkschafter eine 24-stündige Mahnwache vor dem Landtag ab.

Feuerwehrleute in Schutzkleidung und mit Sauerstoffgeräten.

Dicke Ausrüstung und schweres Gerät

Die Berufsfeuerwehren rücken nicht nur aus, um Brände zu löschen. Ausgebildete Feuerwehrleute sitzen auch in Rettungswagen und sind bei Notarzteinsätzen dabei. Der Job sei anstrengend und belastend, argumentieren die Gewerkschaften Verdi und Komba, oftmals müssten bis zu 50 Kilo schwere Ausrüstungen getragen werden. Der Gesetzentwurf sei "ein Schlag ins Kontor der betroffenen Kolleginnen und Kollegen", sagte Verdi-Sprecher Tjark Sauer. Die Landesregierung verkenne "die besonderen Belastungen des Einsatzdienstes".

Medizinischer Fortschritt als Argument

Besonders empört sind die Feuerwehren über das Argument der Landesregierung, dass technischer Fortschritt und eine heute verbesserte medizinische Vorsorge die körperliche Belastung in dem Beruf im Vergleich zu früheren Jahren reduziert hätten. Dafür fehlten belastbare Studien, sagt der Verband der Feuerwehren NRW. Zudem würden Feuerwehr-Beamte mit 48 Wochenstunden ohnehin deutlich mehr arbeiten als andere Beschäftigte im öffentlichen Dienst.

"Bis 67 kann man das nicht machen", sagte Timo Kowalski, Feuerwehrmann in Essen und Gewerkschafter bei Verdi, im WDR. Gerade im Rettungsdienst werde die Belastung immer größer. "Ich sehe kaum bis gar keine Kollegen, die in der Lage sind, den Rettungsdienst körperlich und seelisch so lange begleiten zu können. Irgendwann renne ich die 100 Meter nicht mehr so schnell wie jetzt."

Feuerwehrleute sollen später in Pension

WDR Studios NRW 22.04.2024 00:21 Min. Verfügbar bis 22.04.2026 WDR Online


Einsatz denkbar im Tagesdienst

Allerhöchstens im Tagesdienst sei es denkbar, dass auch Kollegen über 60 noch weiterarbeiten. Im Tagesdienst gibt es bei der Feuerwehr keine Schichtdienste, die Aufgaben beziehen sich vor allem auf Tätigkeiten wie Verwaltungsarbeiten, Einsatzplanung, Fahrzeug- und Gerätewartung. Auch ein Einsatz im Krankentransport sei über 60 vielleicht möglich, sagt Kowalski. Doch eine solche Differenzierung sehe der Gesetzentwurf nicht vor.

"Land hat Gutachten versäumt"

Feuerwehrmänner mit Atemschutzmasken

Einsatz mit Atemschutzmasken

Auch der Leiter der Feuerwehr in Essen, Thomas Lembeck, meldet in einer Stellungnahme "erhebliche Bedenken" an bei der Annahme, medizinische Fortschritte führten dazu, dass auch Menschen unter solcher Belastung wie im Feuerwehrberuf länger durchhalten könnten als früher. Das Land habe versäumt, ein Expertengutachten erstellen zu lassen zu der Frage, "welche Leistungen in welchem Alter durch Feuerwehrangehörige erbracht werden können", so Lembeck. Ohne eine solche Einschätzung sei eine "Veränderung der Lebensarbeitszeit nicht zu begründen".

Gewerkschaft: Besser um Nachwuchs kümmern

Die Gewerkschaft Komba zeigt sich entrüstet über "die offensichtliche Praxisferne" dieser Idee – vor allem mit der Absicht, den Fachkräftemangel in den Griff zu bekommen. In einer Stellungnahme für die Anhörung schreibt Komba: "In einem Berufsfeld mit so extremen Belastungen heilt man Fachkräftemangel nicht, indem in einem Altersbereich, in dem viele Beamt*innen schon heute die körperlichen Anforderungen nicht mehr oder nur mit größter Mühe voll erfüllen, die Altersgrenze um ein bzw. zwei Jahre angehoben wird!" Eine "vernünftige" Gegensteuerung sei nur "am anderen Ende" möglich: bei der Rekrutierung von Nachwuchs.

Städtetag weist auf hohe Belastung hin

Der Städtetag NRW, der ebenfalls zur Expertenanhörung im Landtag geladen ist, befürwortet die Änderungen der jetzigen Altersgrenze zwar grundsätzlich und verweist darauf, dass "die sonstigen Mitarbeitenden der kommunalen Verwaltung grundsätzlich bis 67 ihren Dienst verrichten müssen".

Allerdings weist der Städtetag auch darauf hin, dass es Einsatzbereiche gebe, die sich auf die Fitness der Feuerwehrbeamten auf Dauer auswirkten: die ständige Alarmbereitschaft zu jeder Tages- und Nachtzeit, auch an Feiertagen oder Stresssituationen, die sich je nach Einsatzlage über mehrere Stunden erstrecken und auch Erlebnisse mit Unfallopfern und Todesfällen, das alles verbunden mit "einem sehr hohen Maß an Verantwortung".

"Erhöhung der Azubiquote wichtiger"

Auf dem Foto sind Feuerwehrleute, die jemanden auf einer Trage abtransportieren.

Belastende Erlebnisse gehören zum Arbeitsalltag

Dass sich mit der Verschiebung des Pensionseintritts das Problem der Nachbesetzung von Stellen regulieren ließe, bezweifelt Arbeitswissenschaftler Thomas Langhoff von der Hochschule Niederrhein: Eine Erhöhung des Rentenalters werde das Problem des Fachkräftemangels nicht lösen, schreibt er. Das habe sich bereits vor 20 Jahren gezeigt, als aus demselben Grund das Pensionsalter bei der Polizei heraufgesetzt wurde. Vielmehr nötig seien eine "massive Erhöhung der Azubiquote" und attraktivere Einstiegsmöglichkeiten.

"Einzigartiger Korpsgeist" bei der Feuerwehr

Langhoff warnt vor den bekannten gesundheitlichen Folgen von Schichtdienst mit Nachtarbeit, die mit der Zeit "exponentiell" anstiegen: Von Schlafstörungen etwa über Diabetes und Herzinfarkt bis zum Magen-Darm-Krebs. Und er weist auf einen anderen Aspekt hin: Gerade bei der Feuerwehr seien das "enge Sozialgefüge und der Korpsgeist auf den Feuerwachen einzigartig". Er rate, "wenig nutzbringende Irritationen", die diese Einzigartigkeit in Gefahr brächten, zu vermeiden.

Quellen:

  • Landtag NRW, Stellungnahmen zur Anhörung
  • WDR Interviews
  • Meldung Gewerkschaft Verdi