Statt Warten auf BAföG: Hartz IV für Erzieher-Azubis?

Stand: 10.05.2022, 16:57 Uhr

Angehende Erzieherinnen und Erzieher warten in NRW monatelang auf eine BAföG-Entscheidung. Schulministerin Gebauer empfiehlt ihnen in der Zwischenzeit Hartz IV. Daran gibt es Kritik.

Von Christian WolfChristian Wolf

Der Personalmangel an den nordrhein-westfälischen Kitas dürfte vielen Eltern bekannt sein. Erst kürzlich stellte eine Studie des deutschen Kitaleitungskongresses fest, dass immer wieder mit weniger Personal gearbeitet werden muss, als eigentlich vorgeschrieben ist. Umso wichtiger scheint es, genug junge Leute zu finden, die eine Erzieher-Ausbildung machen.

Langes Warten auf BAföG-Entscheidung

Doch neue Zahlen der Landesregierung erwecken den Eindruck, dass die Rahmenbedingungen für die Auszubildenden besser sein könnten. Ein Problem: Oftmals wird die Ausbildung für Erzieherinnen und Erzieher nicht vergütet. Die Betroffenen brauchen also andere Unterstützung, um ihr Leben finanzieren zu können. Dafür gibt es unter anderem das Aufstiegs-BAföG. Seit Jahren nimmt die Zahl der Empfänger in NRW zu. Im Schuljahr 2021/2022 erhielten 2.798 eine Förderung für ihre Vollzeit-Ausbildung. Das geht aus einer Antwort von NRW-Schulministerin Yvonne Gebauer (FDP) auf eine Anfrage der SPD hervor.

Doch offenbar gibt es Schwierigkeiten bei der Bearbeitung der Anträge. Die Betroffenen müssen immer länger auf eine Entscheidung warten. Waren es im Schuljahr 2018/2019 noch 69 Tage, stieg die Bearbeitungsdauer im vergangenen Jahr auf 128 Tage. Im laufenden Schuljahr sind es bereits 161 Tage - also fast ein halbes Jahr.

Ministerium verweist auf Fluktuation beim Personal

Wie kann das sein, wenn doch jede Erzieherin und jeder Erzieher gebraucht wird? Gebauer weist in ihrem Schreiben darauf hin, dass für alle Anträge in NRW ein Dezernat der Bezirksregierung Köln verantwortlich sei. Und dort habe es zuletzt durch Ruhestand, Mutterschutz oder Elternzeit eine "große Fluktuation" beim Personal gegeben. Das Ministerium räumt ein, dass die zunehmende Zahl an Anträgen "nicht zeitnah mit dem vorhandenen Personal bewältigt werden" konnte - auch weil es 2020 eine Gesetzesänderung gegeben und sich die Zahl der Anträge dadurch erhöht habe. Inzwischen sei die Mehrzahl der offenen Stellen aber nachbesetzt worden. Zudem seien "weitere Maßnahmen" zur Beschleunigung eingeleitet worden.

Doch was ist mit den Betroffenen, die monatelang während der Ausbildung kein Geld bekommen? Denen empfiehlt Schulministerin Gebauer:

"Für eine Übergangszeit besteht die Möglichkeit, einen Hauptantrag auf ALG II-Leistungen beim zuständigen Jobcenter zu stellen."

Mit anderen Worten: So lange es das Aufstiegs-BAföG nicht gibt, sollen die angehenden Erzieherinnen und Erzieher Hartz IV beantragen.

Verdi beklagte "fatales Signal"

Genau dieser Hinweis sorgt nun für Empörung. Die langen Wartezeiten seien eine "Zumutung" und trügen nicht dazu bei, dass sich mehr Menschen für den Beruf entscheiden, sagte Verdi-Fachmann Tjark Sauer am Dienstag dem WDR. Der Verweis auf Hartz IV-Leistungen sei ein "fatales Signal" an die angehenden Erzieherinnen und Erzieher und ein "Armutszeugnis". Um das Problem zu lösen, müsse die Ausbildung "endlich grundsätzlich vergütet werden".

Wenige Tage vor der Landtagswahl nutzt auch die SPD die Antwort der Schulministerin für Kritik. "Das ist alles andere als wertschätzend", sagte der familienpolitische Sprecher der SPD-Fraktion, Dennis Maelzer, am Dienstag. Das Ziel müsse sein, dass die Erzieherausbildung grundsätzlich vergütet werde. Im Wahlprogramm der SPD zur Landtagswahl findet sich eine solche Forderung allerdings nicht wieder.

Schulministerium bedauert "falschen Eindruck"

Aus dem Schulministerium kam im Laufe des Dienstags eine Reaktion. "Wir bedauern, dass ein missverständlicher und falscher Eindruck durch die Antwort auf die Kleine Anfrage entstanden ist", hieß es. Man habe für die Betroffenen in der "äußerst schwierigen Situation" eine "finanzielle Brücke" aufzeigen wollen, bis die Bearbeitungsdauer für die Anträge wieder gesunken sei. Es gehe darum, den Antragsstau "umgehend zu beseitigen". Zudem der Hinweis: Die Arbeit der Erzieherinnen und Erzieher sei "wichtig und wertvoll" und werde "ausdrücklich wertgeschätzt".

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