00:19 Min. Verfügbar bis 16.02.2026

Schulbusfahrer mit 80: Waltraud und Otto werden dringend gebraucht

Warendorf | Unterwegs

Stand: 28.02.2024, 08:49 Uhr

Jeden Morgen fährt das Ehepaar Gräffker Schüler aus ihrer Heimat Warendorf zur Schule. Das Besondere: Die beiden sind eigentlich schon lange in Rente. Warum das frühe Aufstehen für sie eine Herzensangelegenheit ist.

Von Martin Heuchel

Otto Gräffker hat die Straße genau im Blick: Zielsicher lenkt er den Schulbus auf der dunklen Landstraße. Es ist noch früh am Morgen, etwa 6.30 Uhr, wenn der 84-Jährige seine Tour beginnt. Draußen ist es noch stockfinster und kalt, minus sieben Grad Außentemperatur. Drinnen arbeitet die Busheizung brummend dagegen an. Es lässt sich hier schon aushalten. Und trotzdem: Der Rentner könnte jetzt auch im warmen Bett liegen, ausschlafen. Warum tut er sich das an? "Ich hab einen Busführerschein, es fehlen Fahrer", sagt Gräffker. Kurz zuckt er mit den Schultern, als wäre das alles ganz selbstverständlich. "Soll ich nur zu Hause rumsitzen und Fernsehen gucken? Ne, das ist nicht mein Ding." 

Warum fährt Otto Gräffker jeden Morgen Schulbus?

00:14 Min. Verfügbar bis 28.02.2026

Vom Tontechniker zum Teilzeit-Schulbusfahrer

Knapp zwei Stunden ist er zwischen dem Bushof in Versmold und dem Schulzentrum in Warendorf unterwegs. Seine Fahrt führt ihn vor allem über viele kleine Ortschaften. Oft stehen an den Bushaltestellen am Rand nur zwei oder drei Kinder. So langsam füllt sich aber der Bus, hinten wird es lebhafter. "Das macht mir überhaupt nichts. Kinder, die nichts mehr sagen, Muffelköppe, brauch ich nicht. Die können ruhig mal ein bisschen laut sein. Kein Problem." So geht der Rentner seine Fahrt ganz entspannt an, als habe er nie etwas anderes gemacht. Dabei war der 84-Jährige früher Tontechniker und begleitete Musiker auf Konzerten. Um das schwere Equipment selbst transportieren zu können, machte er Anfang der 1980er Jahre einen Busführerschein.

Auch seine Frau Waltraud zog 1987 nach. So konnten sie zusammen ohne Pausen quer durch die Republik fahren. Dass sie später mal Schulbusse fährt, hätte Waltraud Gräffker aber nie gedacht, "es ist aber schön, auch in unserem Alter gebraucht zu werden", sagt die 78-Jährige.

Besonders morgens fehlen die Busfahrer

Gebraucht werden beide hier in Warendorf ganz dringend. Auf dem Land spüren viele Busunternehmen den Fachkräftemangel, gerade wenn morgens die Schulbusse fahren und sie alle Kinder gleichzeitig befördern müssen. 2018 meldete sich bei den Gräffkers ein Busunternehmen, bei dem sie früher Busse gemietet hatten. Schulbusse fahren? Kein Problem.

Busfahrer gesucht

Im Jahr 2023 fehlten laut einer Erhebung des Bundesverbandes Deutscher Omnibusunternehmen (BDO) deutschlandweit rund 7.800 Busfahrer. Bis 2030 fehlen dieser Unternehmensumfrage zufolge sogar rund 87.000 Fachkräfte. Grund dafür sei ein steigendes Personalaufkommen bei gleichzeitig hohem Durchschnittsalter der derzeitigen Beschäftigten. Teil des BDO sind auch viele kleinere, private Busunternehmen.

Ingo Kehl, der die Personalplanung des Unternehmens verantwortet, ist stolz auf seine ältesten Fahrer und dankbar für ihr Engagement, denn ihm fehlt das Personal. Früher hätten hier auf dem Land viele Landwirte bei den Schulbussen ausgeholfen, aber die Zeit sei vorbei. Mittlerweile helfen deshalb neben den Gräffkers auch andere Rentner aus, die einen Busführerschein haben. Fahrten übernimmt das Ehepaar nur morgens. "Uns macht es Spaß", sagen sie.

Ingo Kehl erklärt, warum ihm Personal fehlt

00:24 Min. Verfügbar bis 28.02.2026

Fahrtauglichkeit im Alter ist ein Reizthema

Kehl hofft, dass das so bleibt. Sorgen um die Fahrtauglichkeit seiner ältesten Fahrer mache er sich nicht: "Ich finde, ein 'zu alt' gibt es auf keinen Fall. Solange man sich fit fühlt und sicher fährt, ist das kein Thema." Auch von den Eltern seien bisher noch keine Bedenken an ihn herangetragen worden. Alle fünf Jahre müssen Busfahrer ihren Führerschein verlängern und dann einen Gesundheitscheck machen. "Wer den besteht, kann auch weiterfahren", findet Kehl.

Die Gräffkers wären auch bereit, sich öfter checken zu lassen. "Ich würde befürworten, wenn man ab einem gewissen Alter alle zwei Jahre oder so getestet wird", meint Waltraud Gräffker. Ihr Mann ist aber überzeugt, dass die tägliche Fahrpraxis hilft, fit zu bleiben. Mittlerweile ist auch die Sonne aufgegangen: halb 9 Uhr morgens, Feierabend. Den genießen die Gräffkers zu zweit, jetzt ist Frühstückszeit.

Über dieses Thema haben wir auch am 15.01.2024 im WDR Fernsehen berichtet: Lokalzeit Münsterland, 19:30 Uhr