Ein Mann halt einen Hund mit Maulkorb an der Leine

Ihm geht keiner vor die Hunde: Trainer gibt Tierheim-Problemfällen Hoffnung

Essen | Ehrenamt

Stand: 11.04.2024, 09:54 Uhr

Langzeit-Tierheim-Bewohner liegen Hundetrainer Andreas Kühm besonders am Herzen. Um ihre Vermittlungschancen zu verbessern, hat er sich ein besonderes Training ausgedacht.

Von Agata Pilarska

Dennis Jakubowski krault Hund Aslan und gibt ihm einen Kuss auf den Kopf. Der große Kangal geht ihm bis zur Hüfte und trägt einen Maulkorb. Lange wäre so ein vertrautes Miteinander undenkbar gewesen. Dass es möglich wurde, liegt an dem Mann, der mit einem Lächeln im Gesicht die Situation genau beobachtet: Andreas Kühm, 57 Jahre alt und Hundetrainer. "Ich muss aufpassen, dass ich nicht gleich heule. Weil ich mich so freue für den Kerl", sagt er in diesem Moment.

Hunde aus dem Tierheim: Warum Adoptionen scheitern

Kühm betreibt eine Hundeschule und eine Hundetagesstätte. Gemeinsam mit der 32-jährigen Romina Sabatasso trainiert regelmäßig er Hunde aus dem Albert-Schweizer-Tierheim Essen. Auch Sabatasso besitzt eine eigene Hundeschule. Zusammen kamen sie auf die Idee, die Tierheim-Hunde mit in die Hundetagesstätte zu nehmen. Im Tierheim hat fast jeder Hund einen eigenen Zwinger und bekommt Einzeltraining. Doch auch Gruppentraining wirkt sich auf das Sozialverhalten der Tiere aus. Warum, erklärt Andreas Kühm.

Andreas Kühm erklärt, warum eine Gruppe wichtig für das Sozialverhalten ist.

00:21 Min. Verfügbar bis 11.04.2026

Sabatasso und Kühm versuchen mit dem Training die Hunde so vorzubereiten, dass es für die zukünftigen Besitzer möglichst wenig Probleme gibt. Sie wollen die Angst vor der Adoption von Tierheim-Hunden nehmen. Warum Adoptionen immer wieder scheitern, ist in Deutschland nicht erfasst. Laut der Umfrage eines österreichischen Produzenten für Tiernahrung beeinflussen aber mehrere Faktoren Menschen bei ihrer Entscheidung gegen ein Tier aus dem Tierheim. Das sind unter anderem Bedenken hinsichtlich der Vergangenheit des Hundes und die Sorge, an der Erziehung zu scheitern.

An diesen Stellschrauben setzen die beiden Essener Hundetrainer an. Mit ihrem Training wollen sie vermeiden, dass sich bei unerfahrenen Hundehalter zu Situationen kommt, von denen sie sich überfordert fühlen. Zum Beispiel, wenn der Hund an der Leine zerrt oder Artgenossen oder Menschen anbellt.

Eine Frau, die in einem Außenkäfig mit drei Hunden spielt.

Romina Sabatasso übt spielerisch mit drei Hunden

Hundetraining ist Herzenssache

Zweimal pro Woche arbeiten Kühm und Sabatasso mit einem Hund aus dem Tierheim. Insgesamt sind es etwa 20 bis 30 Tiere, die ihr spezielles Training bereits durchlaufen haben. Vier von ihnen wurden bereits an neue Besitzer vermittelt. Die Hunde tragen zunächst einen Maulkorb und werden zuerst testweise mit anderen Hunden aus der Hundetagesstätte in kleine Gruppen gepackt. Bleibt es friedlich, werden die Gruppen größer. Wenn sich die anwesenden Hunde weiter gut verstehen, kommt der Maulkorb ab.

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Sabatasso hat großen Respekt vor den Mitarbeitern im Tierheim: "Öfter als zweimal pro Woche könnte ich das nicht. Mir geht das Schicksal der Hunde sehr nah. Andreas und ich müssen sogar manchmal weinen." Rund 100 Tierheime und mehr als 140 Vereine, die sich für das Tierwohl engagieren, gibt es in NRW laut Ministerium für Landwirtschaft und Verbraucherschutz. Zahlen zu den untergebrachten Tieren werden nicht zentral erfasst.

Sabatasso und Kühm sind sich einig, dass Aslan bei den Jakubowskis in guten Händen ist. Dennis Jakubowski und seine Frau Alina gehen bereits ehrenamtlich mit Hunden aus dem Tierheim Gassi und kennen den Kangal bereits. "Man fängt mit kleinen Hunden an. Und irgendwann wurde mir Aslan zugeteilt", sagt Dennis Jakubowski. Er ist sich sicher: Aslan hat ihn als sein neues Herrchen ausgewählt, nicht umgekehrt. "Die beiden haben wirklich eine ganz besondere Beziehung zueinander", sagt auch seine Frau.

Zwei Männer und zwei Frauen, die mit einem Hund posieren.

Trainer Romina Sabatasso und Andreas Kühm mit Dennis und Alina Jakubowski (v.l.n.r)

Ein Kangal als Haustier

Kangal Aslan wohnt seit 2018 im Tierheim. Er war seiner ursprünglichen Besitzerin ausgebüxt und hat bei Einfangversuchen mehrere Menschen mit Bissen verletzt. Er sollte deswegen sogar eingeschläfert werden. Kangals sind türkische Hirtenhunde, die viel Forderung und Auslauf brauchen. Die Haltung in der Stadt wird deswegen immer wieder von Tierschützern kritisiert.

Treuer Blick, der Herzen schmelzen lässt: Bald kommt Kangal Aslan aus dem Tierheim

00:14 Min. Verfügbar bis 11.04.2026

Die Jakubowskis ziehen bald in ein ländlicheres Zuhause und möchten ihrem Hund möglichst gute Bedingungen bieten. Deswegen werden sie auch weiterhin in die Hundetagesstätte kommen: "Man merkt, dass ihm das guttut", sagt Dennis Jakubowski.

Über dieses Thema berichten wir am 12.04.2024 auch im WDR-Fernsehen: Lokalzeit aus Essen, 19.30 Uhr.