Ausbeutung vor der WM 2022 - Gefangen in Katar

sport inside 05.06.2019 16:31 Min. Verfügbar bis 05.06.2120 WDR Von Benjamin Best

Gastarbeiter in Katar: FIFA räumt Verstöße auf WM-Baustellen ein

Stand: 05.06.2019, 05:00 Uhr

  • WM-Gastgeberland Katar: Weiter Ausbeutung von Gastarbeitern
  • FIFA räumt erstmals Missstände auf WM-Baustellen ein
  • Sport inside recherchiert verdeckt und zeigt erschütternde Schicksale

Katar, WM-Gastgeberland 2022: Gastarbeiter aus Nepal richten im WDR-Magazin Sport inside massive Vorwürfe an die Adresse der Firma Tawasol, die als Subunternehmer am Stadionbau beteiligt ist. Sie sprechen von schweren Unfällen mit Todesfolge, Misshandlungen und nicht ausbezahlten Gehältern. Das WM-Organistionskomitee in Katar schließt aus, dass es die beschriebenen Todesfälle auf der Baustelle gab, von Misshandlungen sei dem Komitee nichts bekannt.

Erstmals muss der Fußball-Weltverband FIFA gegenüber der Presse einräumen, dass es auf einer WM-Baustelle Verstöße gegen das Arbeitsrecht gegeben hat. "Uns ist seit Dezember 2018 bekannt, dass es durch die Firma Tawasol Verletzungen der Arbeitsstandards beim Bau des Al-Bayt-Stadions gegeben hat (...)."

Subunternehmen durfte Auftrag offenbar behalten

Das für die Ausrichtung der WM zuständige Supreme Committee for Delivery and Legacy (SC) in Katar konketisiert: 23 Arbeitern von Tawasol seien inzwischen Löhne nachbezahlt worden. Sie arbeiteten nun weiterhin für die Firma auf der Baustelle. Tawasol wurde der Auftrag demnach nicht entzogen. "Das Organisationskomitee SC hat dieses Unternehmen von zukünftigen SC-Ausschreibungen solange suspendiert, bis es sich gänzlich an alle Vorschriften hält."

Gastarbeiter berichten von Angst und Zwang

Der Gastarbeiter Nagindar Yadav hatte für Tawasol ein Jahr lang auf der Baustelle Al Bayt gearbeitet: "Wir hatten Angst um unsere Sicherheit vor allem in großer Höhe. Zwei Arbeiter sind vor meinen Augen im Stadion gestorben. Wir standen unter Schock. Wir haben uns geweigert weiterzuarbeiten, doch die Vorgesetzten zwangen uns. Ein anderes Mal wurden sieben Arbeiter grundlos im Büro von Tawasol verprügelt. Und wenn wir krank waren dann durften wir nicht im Bett bleiben, sondern mussten zur Strafe raus in der Hitze."

Weder die Firma Tawasol noch die zuständigen Behörden in Katar reagierten auf Presse-Anfragen. Sport inside hat im Mai 2019 vor Ort verdeckt recherchiert und weitere schwere Verstöße gegen das geltende Arbeitsrecht des Landes Katar gefunden.

1.426 Todesfälle in zehn Jahren

Nach offiziellen Zahlen der Regierung in Nepal sind in den vergangenen zehn Jahren 1.426 Gastarbeiter aus Nepal in Katar ums Leben gekommen. 522 davon verstarben an plötzlichem Herztod, 148 bei Arbeitsunfällen. Wie viele dieser Todesfälle mit der WM in Zusammenhang stehen, ist unbekannt.

Der WM-Ausrichter Katar hatte in den vergangenen Jahren sein Arbeitsrecht internationalen Standards angepasst. Die FIFA hat sich laut eigenem Statut verpflichtet, die Menschenrechte zu schützen. Ihr Präsident Gianni Infantino, der heute zur Wiederwahl ansteht, sagt zum Ausrichter Katar: "Diese WM wird ein großartiges Erbe hinterlassen. Vor allem, was die soziale Lage angeht. Bereits jetzt gibt es einen sehr wichtigen sozialen Einfluss."

Reportage von Sport inside

Sport inside zeigt die Reportage "Gefangen in Katar" von Benjamin Best am Mittwoch, 5. Juni, ab 22.55 Uhr im WDR-Fernsehen. Außerdem ist sie auf WDR.de und dem Youtube-Kanal der Sportschau zu finden.

On request, we offer an English translation of the transcript of full video. Please contact markus.schmidt@wdr.de

Quelle: red