Interview mit dem Soziologen Tim Frohwein
Wenn schon Kreisliga-Kicker Geld verdienen
Stand: 21.04.2017, 12:00 Uhr
Der Soziologe Tim Frohwein hat die Bedeutung von Spielergehältern im Amateurfußball untersucht. In seiner Diplomarbeit an der Ludwig-Maximilian-Universität in München kommt er zum Schluss, dass die Zahlungsbereitschaft gestiegen ist - sieht aber auch eine Gegenbewegung.
Sport inside: Für Ihre Diplomarbeit haben Sie 200 Amateurfußballer zur Zahlungsbereitschaft in den Vereinen befragt. Mit welchem Ergebnis?
Tim Frohwein: Laut den Ergebnissen meiner Studie ist es schon so, dass die Zahlungsbereitschaft der Vereine gewachsen ist. Mittlerweile zahlt man schon in der viertuntersten Liga, also der Kreisklasse, Geld. Rund 30 Prozent der Spieler in meiner Untersuchung hat Geld erhalten - und dann steigt der Anteil der Spieler, die Geld bekommen, mit der Spielklasse an. Drei, vier Klassen höher sind es schon 100 Prozent, die Geld erhalten. Die Spieler, die Geld bekommen, wechseln alle 2,8 Jahre den Verein. Wer kein Geld bekommt, alle 5,6 Jahre. Wenn man als Verein Geld in die Hand nimmt, muss man also auch mit einer gewissen höheren Fluktuation rechnen.
Welche Folgen kann das für die soziale Struktur eines Vereins haben?
Frohwein: Das ist mit das Gravierendste an der zunehmenden Bezahlkultur: Dass die Alteingesessenen sagen, sie können sich nicht mehr mit der Mannschaft identifizieren. Es gibt jede Saison fünf, sechs neue Spieler, die sich kaum integrieren und keine Lust haben, am geselligen Vereinsleben teilzunehmen. Und die Alteingesessenen, die teilweise auch ehrenamtlich tätig sind, wenden sich dann vom Verein ab, bringen sich nicht mehr so stark ein. Ein Verein lebt vom Ehrenamt, und wenn die Leute wegbrechen, dann hat der Verein Probleme.
Verdirbt das Geld die Seele des Amateurfußballs?
Frohwein: Das wage ich zu bezweifeln, weil ich schon das Gefühl hab, dass es auch genügend Vereine und Leute gibt, die sich dagegen wehren, die eine Art Gegenbewegung gestartet haben. Also Vereine, die kein Geld zahlen und von der Geselligkeit und der Gemeinschaft leben. Es gibt weiterhin auch die Leute, ich zähle mich zum Beispiel auch dazu, die ihrem Verein die Treue halten, auch wenn es kein Geld gibt. Auch einfach, weil man sich dort wohl fühlt, weil es wie ein zweites Zuhause ist, weil man da über Jahre Beziehungen aufgebaut hat.
Das Interview führte Matthias Wolf
Online-Bearbeitung: Volker Schulte
Thema in: Sport inside, WDR Fernsehen, 23.04., 23.00 Uhr