Tierschützer am Limit - Im Einsatz für griechische Straßenhunde

Stand: 26.06.2015, 09:00 Uhr

Sie kümmern sich um herrenlose Hunde auf der Straße, in privaten Auffangstationen und oftmals auch in städtischen Tierheimen, in denen die Tiere ohne sie kaum eine Überlebenschance hätten. Die Tierschützer stoßen derzeit an ihre finanziellen, aber auch psychischen und körperlichen Grenzen.

Die aktuelle Krise und das Leid der Tiere

Was sollen Tierschützer tun, wenn ein Hund dringend Hilfe braucht? Wegschauen und vorbeigehen? Die meisten Griechen haben für das Engagement der Tierschützer kein Verständnis. Und der Staat behindert ihre Arbeit oftmals eher, als dass er sie unterstützt. Die aktuelle Wirtschaftskrise habe die Lage verschlimmert, doch sie sei schon vorher schlecht gewesen, sagt Panajiotis Gogousidis, Tierschützer in der Stadt Komotini. Ein grundsätzliches Problem sei die gleichgültige und gedankenlose Haltung vieler Griechen gegenüber Tieren. Und dass der Staat schon vor der Krise kaum in Tierschutz investiert und das bestehende Tierschutzgesetz nicht umgesetzt hat. Panajiotis und seine Mitstreiter tun, was sie können, um die Not der Hunde zu lindern. Doch ohne ein Umdenken der Bevölkerung und staatliche Unterstützung, etwa für großflächig organisierte Kastrationen, bleibt es ein Kampf gegen Windmühlen.

Wohin mit all den Notfällen?

Tierschützer Panajiotis kann derzeit kaum einen Kilometer fahren, ohne auf neue hungrige, verletzte und kranke Hunde zu treffen. Nur wohin mit ihnen? Er und seine Frau Elena versorgen mit wenigen Helfern bereits an die 1.000 Hunde am Tag. Am besten geht es vermutlich den 120 Hunden auf dem Gelände der Universität von Komotini. Sie haben viel Platz und werden täglich von Panajiotis gefüttert und medizinisch versorgt. Obwohl es so viele sind, hat er allen Hunden einen Namen gegeben und weiß genau, was jeder braucht. Doch es gibt zu wenig Orte, an denen Streuner geduldet werden und sicher vor Unfällen und Giftködern sind. Deshalb hat Panajiotis viele Straßenhunde in seinem privaten Tierheim untergebracht, das mit 420 Tieren völlig überfüllt ist.

Vom Staat alleine gelassen

Seit der Krise kümmert sich das Ehepaar auch um die mehr als 300 Hunde im städtischen Tierheim der Stadt Komotini. Immerhin wurde es nicht geschlossen, wie so viele andere im Land. Doch außer zehn Kastrationen pro Woche und zwei Halbtagskräften zahlt die Stadt nichts. Futter, medizinische Versorgung – all das geht auf Kosten der Tierschützer. Dies übersteigt die Möglichkeiten des Geschäftsmanns Panajiotis und Elenas, die Anwältin ist. Jetzt unterstützt der deutsche Tierschutzverein „Never Walk Alone“ das Ehepaar, auch bei der dringend notwendigen Modernisierung der beiden völlig maroden Tierheime. Das gemeinsame Ziel: die Lebensqualität der Hunde verbessern, ihre Vermittlungschance im Land erhöhen und durch Aufklärung der Bevölkerung langfristig neues Tierelend vermeiden.

Das schlechte Image der Straßenhunde

Durch die aktuelle Notlage vieler Menschen ist die hohe Zahl ausgesetzter Hunde dramatisch gestiegen. Da die meisten Tiere nicht kastriert sind – viele Griechen halten dies für unnatürlich – vermehren sich die Straßenhunde immer weiter. Da sie oft als gefährliche Krankheitsüberträger gesehen werden, droht ihnen vielerorts der Tod durch Misshandlungen und Giftköder. Deshalb, und weil viele staatliche Tierheime geschlossen wurden, errichten Tierschützer vielerorts provisorische Auffangstationen. Ein Problem ist, dafür geeignete Grundstücke zu finden, denn selbst gegen Bezahlung wollen die meisten Griechen kein Land für Hunde zur Verfügung stellen. Auch erhalten die Tierschützer in der Regel keine Genehmigungen von den Behörden – geschweige denn finanzielle Unterstützung – und ständig droht die Räumung. Die Zustände in privaten Einrichtungen sind aus Geld- und Personalmangel oft kaum besser als in staatlichen, und nicht selten kippt gut gemeinter Tierschutz in neues Tierelend.

Ausfuhrstopp für Hunde aus Griechenland

Viele Tierschutzvereine versuchen Hunde aus Griechenland auszuführen und in Deutschland an neue Besitzer zu vermitteln. Doch dies ist derzeit nur schwer möglich, selbst mit Traces-Papieren, die nur schwer zu bekommen sind, scheitert die Ausfuhr einiger weniger immer wieder an der Willkür der Behörden am Flughafen. Der Verein „Never Walk Alone“ hat sich zum Ziel gesetzt, vor Ort nachhaltigen Tierschutz zu betreiben und die Vermittlung ins Ausland kommt nur in Ausnahmefällen vor.

Eine Deutschlehrerin gibt Tierschutz-Seminare

Auch Anna Georgou ist in jeder freien Minute in der Stadt Giannitsa unterwegs und versorgt Hunde in Not. Zusätzlich gibt die Deutschlehrerin Tierschutz-Seminare an Schulen, um ein neues Bewusstsein für Tiere zu schaffen und nachhaltigen Tierschutz zu fördern. Ihre Arbeit zeigt erste Früchte: Viele Schüler kümmern sich um Straßenhunde oder haben sogar schon einen adoptiert.

Der Tierschutzverein „Never Walk Alone e. V.

Die Griechin Marika Kamari hat den Verein 2012 in Deutschland gegründet. Um die Tierschützer vor Ort zu unterstützen, ist sie Anfang 2015 in ihre alte Heimat zurückgekehrt. Ihr Verein sichert das Überleben von rund 1.350 Hunden und hilft, ihre Lebensbedingungen zu verbessern. Dazu stellt „Never Walk Alone e. V.“mit Hilfe von Futterpaten und Spendengeldern monatlich zehn bis 14 Tonnen Futter bereit, finanziert die medizinische Versorgung und Modernisierungsmaßnahmen in Tierheimen. Nur in Ausnahmefällen vermittelt der Verein Hunde aus Griechenland nach Deutschland. Sein langfristiges Ziel ist es, durch Aufklärungsarbeit möglichst viele Hunde im Land zu vermitteln und das Elend in Griechenland bei der Wurzel zu packen. Dazu sucht Marika Kamari auch die Zusammenarbeit mit den Behörden. Denn ohne deren Rückendeckung sowie ein Konzept und öffentliche Mittel bleibt Tierschutz eine Sisyphusarbeit.

Ausfuhrstopp für Hunde aus Griechenland

Angesichts der Hundeschwemme und des massiven Tierleids versuchen viele Tierschutzvereine, Hunde aus Griechenland auszuführen und in Deutschland an neue Besitzer zu vermitteln. Nach Zeugenberichten ist dies derzeit kaum möglich. Griechische Tierschützer vor Ort kritisieren schon lange ständig neue, komplizierte und kaum zu erfüllende Auflagen, die ihre bereits schon harte Alltagsarbeit erschweren. Und auch ausländische Tierschützer fühlen sich von den Behörden zunehmend boykottiert. Sie berichten, dass die vorgeschriebenen Traces-Begleitpapiere für die Ausfuhr von Hunden kaum zu bekommen sind. Und selbst wenn, wäre die Ausfuhr am Flughafen ein Alptraum und scheitert immer häufiger.

Tierschutz in Griechenland

Das griechische Tierschutzgesetz existiert seit 2003 und wird von Experten als durchaus akzeptabel bewertet. Darin ist für Tierhalter eine umfassende Fürsorgepflicht für Hunde sowie eine Kastrationspflicht für Hündinnen festgelegt, die nicht für die Zucht vorgesehen sind. Doch jedes Gesetz ist nur so gut wie seine Umsetzung, und da hapert es gewaltig. So werden nur wenige Hündinnen kastriert und unerwünschte Welpen getötet oder ausgesetzt, was ebenfalls verboten ist. Auch die Vorgabe an Kommunen und Gemeinden, sich um herrenlose Hunde zu kümmern und genügend Tierheime zur Verfügung zu stellen, ist reine Theorie. Viele der wenigen Tierheime wurden seit der Krise geschlossen. Die Umsetzung des Tierschutzgesetzes ist noch ein weiter Weg, denn sie hängt nicht nur vom Geld ab, sondern auch vom Willen.

Gesetz wird kaum umgesetzt

Das griechische Tierschutzgesetz existiert seit 2003 und wird von Experten als durchaus akzeptabel bewertet. Doch jedes Gesetz ist nur so gut wie seine Umsetzung, und da hapert es gewaltig. So werden die großflächigen Vergiftungsaktionen von Straßenhunden kaum geahndet, obwohl sie illegal sind. Der Weg zu einer effektiven Tierschutzpolitik in Griechenland ist noch weit, denn Tierschutz hängt nicht nur vom Geld ab, sondern auch vom Willen und der Einstellung der Menschen zu Tieren.

Eindrücke von den Dreharbeiten in Griechenland

Obwohl die Drehreise schon Wochen her ist, bekomme ich die Bilder nicht aus dem Kopf. Schockierend war der Anblick extrem kranker, verkrüppelter und abgemagerter Hunde. Dabei waren die meisten unglaublich freundlich und suchten die Nähe des Menschen. Doch am bedrückendsten fand ich den Anblick Hunderter eingesperrter Hunde in maroden Zwingern, die kaum eine Chance auf Vermittlung haben. Ist dies noch ein lebenswertes Hundeleben? Doch was sollen die Tierschützer machen? Sie alle einschläfern? Oder freilassen, trotz der Gefahr von Unfällen und Giftködern? Meine Kollegen und ich haben es während unserer Reise durchs Land selber erlebt: Kaum losgefahren, treffen wir auf einen todkranken Hund am Straßenrand, kurz darauf auf acht Welpen, ihre Mutter im Fluss nebenan ertränkt – für Tierfreunde kaum möglich, einfach vorbeizufahren, selbst wenn ihre Kapazitäten eigentlich schon überschritten sind. Die Menschen, die sich von früh bis spät für die Hunde aufopfern, haben mich sehr berührt. Ich möchte sie unterstützen, die Not der Tier zu lindern und sich langfristig für nachhaltigen Tierschutz in Griechenland zu engagieren.

Autorin: Christiane von Schwind