Mogelpackung Herkunft von Lebensmitteln

Weitgereist auf deutsche Teller: Wo kommt unser Essen her?

Stand: 16.12.2013, 00:00 Uhr

Erdbeeren, Spargel und Äpfel sind typisch deutsche Saisonprodukte. Erdbeermarmelade, Apfelsaft und Tiefkühlspargel gibt es hingegen das ganze Jahr zu kaufen. Ob diese Produkte dann auch alle aus Deutschland kommen? Vermutlich nicht! Viele vermeintlich „heimische“ Lebensmittel werden außerhalb Deutschlands angebaut und eingekauft. Und zwar dort, wo sie gerade Saison haben: Südafrika, Brasilien, Marokko oder China. In den meisten Fällen erfahren die Verbraucher nichts davon. Denn eine verpflichtende Angabe zum Herkunftsort gibt es nur bei einigen wenigen Lebensmitteln. Dabei ist die Herkunft der Waren ein entscheidendes Kaufargument für Verbraucher. Nach einer Emnid-Umfrage aus dem Jahr 2011 achten mehr als die Hälfte der Verbraucher darauf, Lebensmittel aus der Region einzukaufen. Knapp achtzig Prozent sind sogar bereit, mehr Geld für regionale Produkte auszugeben.

Yvonne Willicks steht an einem Regal im Supermarkt und hält ein Glas Schokocreme in der Hand

Bei verarbeiteten Produkten ist die Herkunftsangabe nicht verpflichtend

Chinesische Lebensmittel auf dem Vormarsch

Der Lebensmittelhandel ist ein globales Geschäft, Waren werden um die halbe Welt geschifft, geflogen oder gefahren, bevor sie auf unseren Tellern landen. Eine wichtige Rolle im weltweiten Warenstrom spielt China. Beim Export von Nahrungsmitteln sind die Chinesen in einigen Bereichen sogar Marktführer. China ist der größte Apfelsaftkonzentrat-Produzent, jeder zweite Apfel auf der Welt wächst im Reich der Mitte. Nach Angaben des Statistischen Bundesamtes importierte Deutschland im Jahr 2012 rund 634.00 Tonnen Lebensmittel im Wert von etwa 1,5 Milliarden Euro aus China – darunter fast 4.500 Tonnen gefrorener Spargel. Das sind 72 Prozent des gesamten Spargel-Imports nach Deutschland. Ähnlich sieht es bei Dosen-Mandarinen (ca. 70 Prozent des Gesamtimports) aus. Bei zubereiteten Erdbeeren, abgepackt in Kiloware, beherrscht China sogar mit 97 Prozent den deutschen Markt. Fast jede zweite Dose doppelt konzentriertes Tomatenmark in Kiloware kommt aus China (48 Prozent). Wer diese Ware verarbeitet und auf wessen Tellern sie landet, darüber möchten nur wenige Hersteller offen sprechen.

Spargel aus China in Gläsern

Ganz klein versteckt sich auf dem Etikett die Herkunft des Spargels

China ist Exportweltmeister, auch bei Lebensmitteln

Von knapp vierzig angeschriebenen Herstellern und Handelsunternehmen bestätigen nur elf, chinesische Rohwaren einzukaufen: die Handelsketten Lidl, Aldi Süd, Edeka und Alnatura, Getränkehersteller Sinalco und Tiefkühlproduzent Iglo, außerdem die Fruchtverarbeiter Agrana, Zentis, Wild, Emig und darbo. Für seine Markenprodukte verwendet darbo allerdings keine chinesischen Importe.

Dreizehn angeschriebene Hersteller verweigerten eine Auskunft oder blieben unkonkret. Darunter die Saftproduzenten Valensina und Punica. Nebulös schreibt der Jogurthersteller Müller: „Die Früchte dafür kaufen wir weltweit ein“. Mit fast den gleichen Worten antworten auch die Konkurrenten von Campina und Bauer. Unkonkret auch die Aussagen von Fruchtverarbeiter Stute, Del Monte und Lausitzer, sowie vom Marmeladenhersteller Bonne Maman. Wo kommen die Tomaten für den Heinz-Ketchup und die Sauce von Miracoli her? Die Hersteller machen daraus ein Geheimnis. Auch die Handelsketten Rewe und Aldi Nord wollten sich nicht zum Thema äußern.

Europäische Landwirte können Nachfrage nicht decken

Der Hunger der Deutschen nach Saisonware ist kaum zu stillen, weder von deutschen Landwirten noch von europäischen. Die Nachfrage nach Erdbeeren oder Himbeeren übertrifft die nationale Ernte um ein Vielfaches. Ein Dilemma für die Hersteller: denn die Branche weiß um das Misstrauen der deutschen Kunden gegenüber Produkten aus China. Nach den Umfragen würden die Verbraucher die Produkte aus Fernost stehenlassen, wenn sie wüssten, woher die Rohwaren stammen. Margarete Besemann von der Verbraucherzentrale in Düsseldorf vermutet, dass das der Grund ist, warum die Hersteller eine - wie von den Verbraucherschützern gefordert - verpflichtende Herkunftsangabe ablehnen: „Aus Marketinggründen müssten viele Produzenten dann auf andere Herkunftsregionen ausweichen und so höhere Preise für ihre Rohwaren bezahlen.“

Chinesische Lebensmittel werden nicht häufiger beanstandet als andere

„Alles Quatsch“, sagt Werner Koch, Geschäftsführer des Bundesverbandes der obst-, gemüse- und kartoffelverarbeiteten Industrie (BOGK). Der Verband vertritt rund siebzig deutsche Hersteller. „Verbraucher haben zwar eine sehr kritische Haltung chinesischen Produkten gegenüber. Diese ist aber nicht mit Fakten zu begründen. Chinesische Waren werden bei der Einfuhr nicht öfter von den EU-Behörden beanstandet als andere Waren. Der Anteil liegt nur bei rund sieben Prozent“, sagt Koch. Das RASFF (Rapid Alert System for Food and Feed) bestätigt diese Zahlen. Bei diesem europäischen Schnellwarnsystem für Lebensmittelsicherheit gehen alle Warnmeldungen über auffällige Lebensmittel und Futtermittel ein. Fakt ist: im Geschäft mit europäischen Partnern unterliegen die Lebensmittel aus aller Welt den gleichen gesetzlichen Bestimmungen, nämlich dem EU-Lebensmittelrecht. Können die Produkte die darin festgelegten Qualitäts- und Sicherheitsstandards nicht erfüllen, dann sind sie nicht marktfähig und dürfen weder in die EU eingeführt, noch verkauft werden. Im Umkehrschluss bedeutet das, die marktfähigen Waren haben alle die Mindestanforderungen der EU erfüllt.

Marketing mit freiwilligen Herkunftsangaben

Doch viele Verbraucher bleiben der asiatischen Importware gegenüber skeptisch. Einige Produzenten haben deshalb einfach den Spieß umgedreht und werben mit der Herkunft ihre Zutaten. So verkauft Safthersteller Eckes Granini ein kleines Sortiment unter dem Namen „Heimische Früchte“. Dass dabei drei Prozent der Früchte aus Brasilien kommen (die Aceorlakrische, die man laut Produzent für den hohen Vitamin C Gehalt brauche), ist vielleicht akzeptabel. Auch die Marmeladenhersteller Zentis und Schwartau sowie einige Joghurthersteller bieten mittlerweile Produkte mit freiwilliger Herkunftsangabe an.

Rohwaren aus China?

Yvonne Willicks hat mehr als 36 Hersteller und Handelsunternehmen nach der Herkunft ihrer Zutaten gefragt.

Eine Auswahl verschiedener Produkte wie z.B. Apfelschorle mit der Zugehörigkeit zu den Supermarktketten

Elf Produzenten bestätigen, chinesische Waren einzukaufen

Chinesische Waren kaufen: Getränkehersteller Sinalco, der Tiefkühlproduzent Iglo und die Handelsketten Edeka, Alnatura, Lidl und Aldi Süd; außerdem die Fruchtverarbeiter Wild, Agrana, Emig, Zentis und darbo. Für seine Markenprodukte verwendet darbo allerdings keine chinesischen Importe.

Eine Auswahl an Konfitüren von verschiedenen Marken

Zwölf Produzenten versichern, dass sie keine chinesischen Waren verwenden

Die Saftproduzenten Riha-Weser, Albi, Pfanner und Eckes-Granini, sowie der Jogurthersteller Zott und die Honigproduzenten Dreyer und Langnese versichern, keine chinesischen Waren zu verwenden. Ohne chinesische Importware sind auch die Produkte der Marmeladenhersteller Schwartau, Zuegg, Mövenpick und die Konserven der Marken Libby und Odenwald.

Unklar die Verwendung von chinesischen Produkten bei den Saftproduzenten Valensina und Punica, Joghurthersteller Müller, Bauer, Campina, die Fruchtverarbeiter Stute, Del Monte, und Lausitzer, sowie Marmeladenhersteller Bonne Maman. Woher die Tomaten für Heinz-Ketchup und die Saucen von Miracoli stammen, bleibt ein Geheimnis. Auch die Handelsketten Rewe und Aldi Nord wollten sich nicht zum Thema äußern.

Yvonne Willicks und Werner Koch stehen in einem Büro

Yvonne Willicks mit Werner Koch, Bundesverband der obst-, gemüse- und kartoffelverarbeitenden Industrie

Yvonne Willicks mit Werner Koch, Geschäftsführer vom Bundesverband der obst-, gemüse- und kartoffelverarbeitenden Industrie. Er war als Einziger seiner Branche bereit für ein Kamerainterview zum Thema chinesische Importwaren.

Buchtipp

Jörg Zipprick

Die Supermarkt-Lüge: Wie uns die Lebensmittelindustrie für dumm verkauft

Verlag: Ullstein Taschenbuch 2013

ISBN: 978-3548374543

Preis: 9,95 Euro

Autorin: Stefanie von Drathen