Doc Esser – Der Gesundheits-Check

Nicht hängen lassen – Auf zur gesunden Haltung!

Stand: 27.09.2023, 17:00 Uhr

„Halt dich doch mal gerade!“— Diesen Satz haben die meisten Menschen wahrscheinlich zuletzt als Kind gehört. Mal ganz ehrlich: Wer achtet schon bewusst auf die eigene Körperhaltung? Dabei wäre das so wichtig, um Rücken- und Nackenschmerzen vorzubeugen. Das weiß auch Doc Esser!

In unserem digitalen Leben gehört der ständige Blick aufs Handy zum Alltag. Doch nicht nur das. Viele Menschen hängen - ob beruflich oder privat - oft stundenlang vor dem Computerbildschirm oder Laptop: mit gekrümmtem Rücken, hängenden Schultern – und ohne sich zwischendurch zu bewegen.

Doch durch genau dieses „Hängen lassen“ kommt es zu einer Fehlbelastung von Muskeln, Bändern und Gelenken. Auf Dauer können schmerzhafte Haltungsprobleme die Folge sein. Schlimmstenfalls entsteht ein Haltungsschaden, bei dem nicht nur Muskeln, sondern auch die knöcherne Struktur in Mitleidenschaft gezogen wird. Dieser Schaden lässt sich dann nicht mehr vollständig korrigieren.

Fehlhaltung? Oder echte Deformität?

Das Bild zeigt eine Fehlhaltung, die abgetastet wird.

Man unterscheidet zwei Arten von Problemen: Auf der einen Seite gibt es Fehlhaltungen, bei denen die Knochenstruktur und die anatomischen Strukturen prinzipiell gesund sind und die Ursache in dauerhaft falschen Körperhaltungen (z.B. langes Sitzen, falschen Bewegungsmuster) liegt. Sie sind die Folge schlechter Haltungsgewohnheiten, die man sich über die Jahre angewöhnt hat. Muskulatur und Bänder werden dabei falsch oder übermäßig belastet, es kommt zu Verspannungen und Schmerzen. Hier spricht man auch von ausgleichbaren Fehlhaltungen. Über Monate und Jahre können sich diese Fehlhaltungen allerdings auch auf die Wirbelsäule auswirken.

Auf der anderen Seite gibt es die echten Wirbelsäulendeformitäten wie z.B. Kyphosen oder Skoliosen. Dabei sind die betroffenen anatomischen Wirbelsäulenstrukturen verändert und deformiert. Dafür kann es verschiedene Ursachen geben. Diese echten Deformitäten gehen weit über ein Haltungsproblem hinaus.

Wie entstehen Fehlhaltungen?

Das Bild zeigt eine Fehlhaltung vor dem Bildschirm

Idealerweise sollte sich unser Körper ‚im Lot‘ befinden, bei aufrechter Haltung sind dabei Kopf und Rumpf in einer Linie über dem Becken – das gilt sowohl im Stehen als auch im Sitzen. In dieser Haltung verbraucht die Rumpfmuskulatur möglichst wenig Energie, um seine aufrechte Position zu halten. Geht man aus dem Lot heraus, verschiebt also den Körperschwerpunkt, indem man sich zum Beispiel mit hängenden Schultern nach vorne beugt, fängt die Rumpfmuskulatur an, überdurchschnittlich zu arbeiten, um diese ‚Abweichung‘ auszugleichen. So soll verhindert werden, dass der gesamte Körper nach vorne oder zur Seite kippt.

Steht oder sitzt man permanent nicht aufrecht ohne eine Grundspannung im Rumpf, sondern lässt sich stattdessen hängen, kann das zu muskulären Dysbalancen führen. Mit der Zeit stellen sich oftmals Beschwerden wie Rücken- oder Nackenschmerzen ein. Die Folge: Betroffene nehmen eine Schonhaltung ein, die Muskulatur passt sich der Fahlhaltung konstant an. Ausdauer und Kraft nehmen in dem Bereich ab.

Auch der stundenlange Blick auf das Handydisplay ist für die Nackenmuskulatur eine extreme Belastung: Wird der Kopf z.B. um 45 Grad nach vorne gebeugt, entspricht das einer Belastung von 20-25 kg. Im Durchschnitt nutzen Handy-Nutzer ihr Smartphone täglich über 3 Stunden und 40 Minuten. Bei falscher Haltung kann eine solche Belastung auf Dauer Folgen haben.

Haltungsschwäche erkennen

Oftmals geht mit einer Fehlhaltung auch eine Haltungsschwäche einher. Ob bereits eine Haltungsschwäche erkennbar ist, zeigt der sogenannte ‚Matthiass-Test‘. Dazu stellt man sich aufrecht hin, die Handflächen zeigen nach oben, der Rumpf soll stabil gehalten werden: das über 30 Sekunden mit geschlossenen Augen - und ohne dabei zu schwanken. Ist die stabilisierende Rumpfmuskulatur (Bauch- und Rückenmuskulatur) dazu zu schwach, spricht man von einer Haltungsschwäche.

Was ist eine echte Deformität?

Es gibt verschiedene sog. echte Wirbelsäulen-Deformitäten, bei denen durch unterschiedliche Erkrankungen die Form der Wirbelsäule strukturell verändert ist. So entstehen Kyphosen ("Rundrücken") oder Skoliosen (Verdrehung der Wirbelsäule), je nach betroffener Hauptebene. Normalerweise hat die menschliche Wirbelsäule im Bereich der Brustwirbel eine Krümmung in eine Richtung und in der Lendenwirbelregion eine Ausgleichskrümmung – eine Lordose. Durch diese S-Form werden Stöße beim aufrechten Gang abgefedert und so das Gehirn geschützt. Echte Deformitäten lassen sich nicht durch Muskeltraining oder Sport heilen, sondern nur Verläufe beeinflussen.

Die wichtigsten Gründe für Kyphosen sind bei Jugendlichen und jungen Erwachsenen der sog. Morbus Scheuermann sowie zugrundeliegende Erkrankungen von Muskeln und neurologischen Strukturen, den ganzen Körper betreffende Syndrome oder angeborene Fehlformen einzelner Wirbel. Bei älteren Patienten sind die häufigsten Gründe die Wirbelsäulendegeneration und die Osteoporose. Die wichtigsten Ursachen von Skoliosen sind genetische Veränderungen, zugrundeliegende Erkrankungen von Muskeln und neurologischen Strukturen, den ganzen Körper betreffende Syndrome oder angeborene Fehlformen einzelner Wirbel.

Morbus Scheuermann

Dabei handelt es sich um eine Wachstumsstörung der jugendlichen Wirbelsäule. Die Krankheit tritt bei Jungen deutlich häufiger auf als bei Mädchen. Die Knochenstruktur ist verändert, die Wirbel verformen sich keilförmig - mit der Folge, dass die Wirbelsäule sich über Jahre in eine Krümmung (Kyphose) entwickelt.

Grundsätzlich gilt: Je früher eine Scheuermann-Erkrankung diagnostiziert wird, desto besser. Im jugendlichen Alter sind die Knochen, also auch die Wirbelsäule noch formbar und weich. Hier kann eine Korsett-Therapie helfen, eine aufrechte Haltung beizubehalten und den Verschleiß zu minimeren. Auch Schmerzen können bei Scheuermann-Patienten auftreten.

Diagnostik mit 3D und 4D-Technik

Das Bild zeigt eine Diagnostik mit 3D und $D-Technik

Goldstandard bei der Diagnostik von Wirbelsäulen-Deformitäten ist das Röntgenbild im Stand. Haltungsanalysen lassen sich aber auch ohne Röntgenstrahlen machen, z.B. mit der sog. Rasterstereographie. Dabei stehen Patienten vor einem Aufnahmegerät mit Projektor und Videokamera. Der Rumpf wird mit Lichtstrahlen gescannt und Asymmetrien können erkannt werden – ganz ohne Röntgenstrahlen. Das Verfahren ist nicht so genau wie ein Röntgenbild, hilft aber, Röntgenbilder im Verlauf einer über Jahre laufenden Behandlung teilweise einzusparen. Die Rasterstereographie ist geeignet für Verlaufsbeobachtungen. Genaue Strukturanalysen wie mit Röntgen, MRT oder CT erlaubt diese Technik aber nicht.

Zusätzlich kann die Untersuchung um eine 4D-Vermessung erweitert werden. Dabei läuft der Patient auf einem Laufband. Durch die Bewegungsabläufe können Haltungsfehler und Probleme im Bewegungsablauf identifiziert werden, die im Stand nicht erkennbar sind, sondern nur bei der Bewegung selbst.

Wie lassen sich Haltungsfehler behandeln?

Bei der Wahl der richtigen Therapie spielen verschiedene Faktoren eine entscheidende Rolle: Das Wichtigste ist die Unterscheidung zwischen einer Fehlhaltung und einer echten Deformität. Liegt eine echte Deformität vor, sollte der Patient sich in einem Wirbelsäulenzentrum mit Schwerpunkt Wirbelsäulendeformitäten vorstellen. Wichtige Faktoren bei der Wahl der Therapie werden dann das Ausmaß der Deformität (ausgedrückt in Winkelgraden am Röntgenbild), das Patienten-Alter und die Steifigkeit der Wirbelsäule sein.

Fehlhaltungen ausgleichen

Fehlhaltungen sind muskulär ausgleichbar, im Unterschied zu echten Deformitäten. Physiotherapie und spezielle Übungen zur Stärkung und Dehnung der Muskeln können, je nach Art der Erkrankung, eine erhebliche Verbesserung erzielen.

Bei leichten Ausprägungen reicht oft ein regelmäßiges Training mit Übungen für die Rückenmuskulatur. Bewegung wirkt sich positiv aus und ist bei Menschen mit einer überwiegend sitzenden Tätigkeit, grundsätzlich zu empfehlen. Es gibt zahlreiche verschiedene Übungen und Trainingsprogramme zur Therapie von Fehlhaltung und zur Optimierung der muskulären Rumpfstabilität (z.B. BOCHUMER-11).