AfD: Wisst ihr, wen ihr gewählt habt?

Stand: 14.03.2016, 19:00 Uhr

Die AfD ist großer Wahlsieger der Landtagswahlen. Haben sich die Wähler damit einen Gefallen getan? Jenseits der Flüchtlingspolitik stellt die Partei provokante Thesen auf. Beispiel: Alleinerziehende.

Von Martina Züger

1. Viele haben die AfD gewählt - vor allem Arbeiter, Arbeitslose und Männer

24 Prozent in Sachsen-Anhalt, 15 Prozent in Baden-Württemberg und mehr als 12 Prozent in Rheinland-Pfalz - die AfD ist der große Wahlsieger vom Sonntag (13.03.2016). Aus dem Stand wurde sie in Sachsen-Anhalt zweitstärkste Kraft, liegt nur wenige Prozentpunkte hinter der regierenden CDU. Arbeiter, Arbeitslose und Männer - bei diesen Wählergruppen hat die AfD in allen drei Bundesländern den größten Rückhalt. Bei früheren Nichtwählern konnte die Partei ebenfalls Stimmen sammeln.

2. Was steht eigentlich im AfD-Wahlprogrammentwurf zum Thema Alleinerziehende?

"Die Alternative für Deutschland will die finanziellen Belastungen Alleinerziehender und Unterhaltspflichtiger korrigieren. Gleichzeitig wenden wir uns gegen eine Glorifizierung individualisierter Lebensformen. ... Wer unverschuldet in diese Situation geraten ist, verdient selbstverständlich unser Mitgefühl und die Unterstützung der Solidargemeinschaft. Eine staatliche Finanzierung des selbstgewählten Lebensmodells "Alleinerziehend" lehnen wir jedoch ab", heißt es im Entwurf des AfD-Wahlprogramms, das von dem gemeinnützigen journalistischen Recherchezentrum correctiv.org geleakt wurde. Marcus Pretzell, Landesvorsitzender der AfD in NRW, betont im Interview mit der Aktuellen Stunde jedoch, dass das Dokument nicht authentisch sei. Ob das stimmt, ist unklar.

Wer wird "unverschuldet" alleinerziehend, wer nicht? Wer entscheidet darüber? Bekommen "verschuldet" Alleinerziehende dann weniger Geld und Chancen? Spricht sich die AfD auch schon gegen die "individualisierte Lebensform" Single aus? Überhaupt scheint die Schuldfrage für die AfD wichtig zu sein. "Schwerwiegendes Fehlverhalten, welches sich gegen die eheliche Solidarität richtet, muss bei den Scheidungsfolgen berücksichtigt werden", heißt es in dem Programmentwurf. Dabei wurde das Schuldprinzip bei der Ehescheidung 1976 im Zuge einer Reform abgeschafft - damals ein Meilenstein der Gesetzgebung.

Alleinerziehen ist gesellschaftliche Realität. Die AfD verurteilt mit diesen Zeilen mehr als 1,6 Millionen Mütter und Väter, die ihre Kinder allein aufziehen, und damit auch die 2,3 Millionen Kinder, die bei alleinerziehenden Eltern aufwachsen. Etwa neun von zehn Alleinerziehenden sind Frauen. Das ergab eine Erhebung des Statistischen Bundesamtes mit Zahlen aus dem Jahr 2014. Und die Zahl der Alleinerziehenden steigt: 1996 gab es noch rund 335.000 weniger alleinerziehende Mütter und Väter.

3. Wie stehen Alleinerziehende da, sollte das AfD-Programm dem Entwurf entsprechend umgesetzt werden?

Konkret bleibt das unklar. Vermutlich würden Alleinerziehende finanziell schlechter gestellt. Auch Ehescheidungen wären schwerer möglich. Auf jeden Fall sind Alleinerziehende in den Augen der AfD eine Minderheit. Sie akzeptiert Alleinerziehende nicht als Teil der Realität - allein in dieser Ausgrenzung liegt eine Gefahr. Der Politikwissenschaftler Günter Metzger bringt es auf den Punkt: "Sicher, es gibt auch heute Familien mit Vater, Mutter und drei Kindern. Aber die Wirklichkeit ist vielfältiger. Es gibt auch Alleinerziehende, Patchwork-Familien, berufstätige Mütter oder gleichgeschlechtliche Paare. Auch diese Lebenskonzepte haben ihren Platz. Die AfD will das nicht wahrhaben."

Viele Alleinerziehende stecken schon jetzt in einer prekären Situation. "Mehr als ein Drittel (35,2 Prozent) der Personen aus Alleinerziehendenhaushalten gilt als armutsgefährdet", sagt Christian Woltering, Referent für fachpolitische Grundsatzfragen beim Paritätischen Gesamtverband. Nach Angaben der Freien Wohlfahrtspflege NRW lebt in Nordrhein- Westfalen knapp die Hälfte aller Alleinerziehenden-Haushalte von Hartz IV, die meisten von ihnen sogar dauerhaft. "Und wenn mehrere Kinder im Haushalt leben, steigt das Risiko der Hilfebedürftigkeit sogar noch weiter an", schreiben Martin Debener und Lars Schäfer vom Päritätischen NRW. Stattdessen will die AfD die traditionelle Familie - Vater, Mutter, drei Kinder - stärken, "durch finanzielle Hilfen und Beratung in Krisensituationen".