Gefährliche Selfies - damit der Spaß nicht tödlich endet

Stand: 28.09.2016, 15:00 Uhr

Gefährlicher Selfie-Trend in den sozialen Medien: Je krasser der Ort, je mehr Klicks. Jugendliche fotografieren sich auf Hochhäusern und Bahngleisen. Wir erklären, was sie motiviert, wie groß die Lebensgefahr ist und wie man sie davon abhalten kann.

Von Matthias Goergens

Was steckt hinter der Suche nach dem K(l)ick?

Selfies sind besonders unter Jugendlichen weit verbreitet als Mittel der Selbstdarstellung. Mittlerweile reicht ein einfaches Foto aber nicht mehr. Auf der Suche nach Lob und Anerkennung unter Altersgenossen werden riskantere Motive und Aktionen ausprobiert, weiß Diplom-Erziehungswissenschaftler Michael Jost, der eine Doktorarbeit über das Phänomen geschrieben hat: "Die Jugendlichen haben heute kaum noch Bewegungserfahrung, jedes Risiko wird von ihnen ferngehalten." Sie wollten mit Mutproben Angst, Ekel, aber auch Langeweile überwinden.

Gerade die Anlagen der Bahn, Züge und Gleise üben eine große Faszination aus. In Hamm wurde am Sonntag (25.09.2016) ein Junge beim Klettern auf Waggons durch einen Stromschlag schwer verletzt. Fatal ist die Faszination für romantische Gleis-Fotos, bei denen sich Paare auf Bahngleisen knipsen lassen, die parallel in der Ferne zusammenlaufen und sich nie trennen; Symbol für "ewige" Liebe und Freundschaft.

Warum besteht fast immer Lebensgefahr?

Wer ungesichert auf Hochhäusern und Klippen turnt, um Selfies zu schießen, verliert womöglich den Halt und stürzt in den Tod. Unterschätzt wird die Gefahr auf ruhig wirkenden Bahnanlagen. Jörg Ackmann bringt als Präventionsbeauftragter der Bundespolizei gerne Zahlen ins Spiel: "Ein Zug legt 100 Meter in zwei Sekunden zurück. Der kommt viel zu schnell, um ausweichen zu können." Keine Chance selbst bei einer Vollbremsung, denn der Bremsweg ist bis zu 1.000 Meter lang. Darüber hinaus sind moderne Züge wesentlich leiser als ihre Vorgängermodelle und entsprechend spät zu hören. Auch das Klettern auf abgestellte Züge ist lebensgefährlich, weil die 15.000 Volt in der Oberleitung auch bei bloßer Annäherung überschlagen.

Was droht Selfie-Knipsern außerdem?

Ein ICE der Bahn steht in Köln vor dem Hauptbahnhof an einem Signal, ein Schild verbietet das Betreten der Gleise

Das Betreten von Bahnanlagen ist überall verboten

Ein Gleis-Selfie kann beispielsweise ein juristisches Nachspiel haben und ziemlich teuer werden. Denn das unerlaubte Betreten von Bahnanlagen oder Gleisen kann eine Geldbuße von bis zu 5.000 Euro nach sich ziehen. Bei einer konkreten Gefährdung des Eisenbahnbetriebs kann es auch als Straftat mit einer Freiheitsstrafe bis zu zehn Jahren geahndet werden. Auch Schadenersatzforderungen der Bahn oder Regressforderungen von Reisenden drohen.

Was tun, wenn gefährliche Selfies von Kindern oder Freunden auftauchen?

Jörg Ackmann von der Bundespolizei rät zum wachen Blick auf die Fotos der Kinder. Eher "Zeig mir mal, was du machst", als Holzhammer-Methode: "Besser herantasten, Interesse zeigen und dann entsprechend das Gespräch suchen." Das dürfe dann aber schon eindringlich verlaufen, um auf die Gefahren des Handelns aufmerksam zu machen. Ackmann hatte selbst vor einiger Zeit zwei junge Mädchen beim Selfie-Knipsen von den Gleisen geholt.

Sie seien sich der Gefahr nicht bewusst gewesen, sogar erschrocken, als er die Gefahren erklärt hat. Sie hätten entgegnet, auf den Fahrplan geachtet zu haben: "Aber viele Sonder- und Güterzüge sind nicht im Fahrplan erfasst, ebenso wenig Zugverspätungen." Jörg Ackmann empfiehlt das Video der Deutschen Bahn aus der Kampagne "Wir wollen, dass du sicher ankommst". Der unbeschwerte Selfie-Ausflug zweier junger Mädchen auf Bahngleise endet mit tödlicher Wucht: