Nach Krawallen bei der EM: So ticken Hooligans

Stand: 15.06.2016, 20:30 Uhr

Die rohe Gewalt, die bei der EM von Hooligans zu sehen ist, ist für viele Menschen unfassbar. Ganz anders die Hooligans selbst. Sie feiern sich, für ihre Gewalt. Was in ihnen vor sich geht, erklärt ein Aussteiger aus der Szene.

Auch wenn es schon viele Jahre her ist, dass Heino Hassler selbst als Hooligan aktiv war, er versteht, wie junge Männer ticken, die sich brutal prügeln. Es geht ihnen vor allem um Aufmerksamkeit, sagt Hassler: "Sie wollen den tollen Typen markieren." Oft sind es junge Männer, die mehrfach in der Woche ihren Körper trainieren. Welche Kraft in ihnen steckt, das wollten sie zeigen. Sie versuchten mit anderen jungen Männer ihre Kräfte zu messen, sagt Hassler, der selbst der Gewalt abgeschworen hat und heute beim 1. FC Nürnberg das Fanprojekt leitet.

"Ich will mal zeigen, was ich drauf habe"

Zum Kräftemessen kommt die Gruppendynamik. Und genau die macht einen weiteren Reiz für diese Männer aus, erklärt Hassler. "Die wollen dabei sein." Die Unwägbarkeit einer Auseinandersetzung, gebe ihnen einen weiteren Kick. Wer wird getroffen und wie schwer? Alles scheint eine Frage der eigenen Kräfte zu sein. An Ende stehe die Anerkennung der eigenen Gruppe, wenn man sich gegen die Rivalen durchgesetzt habe.

Unterschiede zwischen Ost und West

Die aktuellen Hooligan-Krawalle in Frankreich kamen für Hassler nicht überraschend. Anders als etwa in Deutschland habe die Szene in den osteuropäischen Staaten eine ganz andere Dimension. Dort würden sich an Auseinandersetzungen schnell mehere Hundert Hooligans beteiligen, berichtet er. Zudem habe sich der Hooligan-Kult verändert. "Es werden zunehmend Unbeteiligte attackiert", hat Hassler beobachtet. Auch Menschen, die am Boden liegen, würden weiter getreten.

Russisches Großmachtgehabe

Vor allem die russischen Hooligans nehmen in der gesamten Szene inzwischen aber eine besondere Stellung ein. "Die sind sehr nationalistisch eingestellt und wollen bei jeder Gelegenheit zeigen, dass sie eine Großmacht sind", bewertet Hassler das Geschehen in Marseille. Dennoch glaubt er, der selbst gerade in Frankreich ist, nicht, dass die Aktion vorbereitet oder gesteuert war. Ausgangspunkt sei eigentlich eine Auseinandersetzung zwischen franzöischen und britischen Hooligans gewesen, in die sich die Russen eingemischt hätten.

Kaum Gewaltpotenzial deutscher Fans?

Während die Sicherheitsbehörden das Vorrundenspiel der EM zwischen Deutschland und Polen als hochriskant einstufen, bleibt Heino Hassler entspannt. Er hat die Fans beider Mannschaft vor Ort beobachtet und sagt, "99,9 Prozent sind Null an Gewalt interessiert." Trotzdem kann er nicht ausschließen, dass Hooligans dennoch gewaltttätig werden. Seine Hoffung ist deshalb ganz klar, "dass es ruhig bleibt."

Einen Schlag kann man nicht ungeschehen machen

Dass aber ein einziger unglücklicher Schlag das Leben eines anderen Menschen verändern kann, das versucht Hassler heute jungen Hooligans klar zu machen. "Da wird man seines Lebens nicht mehr glücklich." Solch ein Schlag sei vielleicht gar nicht böse gemeint, aber man könne ihn eben nicht ungeschehen machen. Und er habe meist auch schwerwiegende Folgen für das Leben des Schlägers, der für seine Tat büßen müsse.

Das Interview mit Heino Hassler ist am Donnerstagmorgen (16.06.2016) bei 1LIVE zu hören.