Die geschenkte Stunde

Susanne näht für Frauen mit Brustkrebs

Stand: 23.03.2015, 15:35 Uhr

Ein geschenktes Herzkissen ist für Brustkrebspatientinnen mehr als ein Symbol. Es lindert den Druck auf die Wunde. In Erftstadt nähen Frauen über 700 solcher Kissen pro Jahr, ehrenamtlich. Susanne Wieseler bringt zum Treffen ihre Nähmaschine mit.

Ein Herz steht für Liebe und Zuneigung. Ein Herz aus Stoff mit weicher Füllung kann aber auch mehr als trösten: Schmerzen lindern nämlich. Als Kissen unter den Arm gekemmt, hilft es Brustkrebspatientinnen nach einer Operation. Denn der Arm drückt dann nicht so stark auf die Wunden. In Erfstadt-Lechenich nähen Frauen solche Kissen in Herzform, ehrenamtlich, für ein Krankenhaus. Alle Patientinnen dürfen sich dort ein Kissen aussuchen, kostenfrei versteht sich. Die Idee hatte eine dänische Krankenschwester 2006 aus den USA nach Europa gebracht, mittlerweile gibt es die Aktion deutschlandweit in vielen Städten.

Kissen können Trost spenden

Vor fünf Jahren hat Michaela Herrmann mit der Aktion begonnen, aus eigener Betroffenheit. Ihre Schwägerin war vor fünf Jahren an Brustkrebs erkrankt. "Irgendwie fühlt man sich hilflos, möchte etwas tun." sagt Herrmann. Die Schwägerin bekam das erste Herzkissen und war begeistert. Mittlerweile nähen sie hier jedes Jahr 700, manchmal 800 Kissen für ein Krankenhaus. Susanne Wieseler setzt sich neben die engagierten Frauen und testet ein frisch genähtes Kissen. Dann legt sie selbst an ihrer eigenen Nähmaschine los.

Befreites Gefühl nach der Operation

Brustkrebs ist immer noch die häufigste Krebserkrankung bei Frauen. 70.000 Betroffene in Deutschland bekommen jedes Jahr die Diagnose, 17.000 sterben. Andrea ist 23 Jahre alt. Sie hat gerade eine Operation hinter sich. Sie hat den Gendefekt BRCA, so wie Angelina Jolie. Das bedeutet: 85 Prozent Krebsrisiko. Zwei Knoten wurden im vergangenen Jahr entdeckt. Andrea ließ sich vor zwei Wochen die Brüste entfernen. Besonders schwer gefallen ist ihr die Entscheidung nicht, sagt sie im Gespräch mit Susanne Wieseler. Bedenkt man die Alternative. Auch ihre Familie steht hinter ihr. Nach der OP war sie erleichtert. "Ich bin aufgewacht und hab gedacht: Wie befreit man ist!" Susannes Gedanke dazu: "Was für eine starke, mutige Frau!"

Alle in der Näh-Gruppe kennen Andreas Geschichte. Die Frauen treffen sich alle paar Wochen. Schneiderin ist aber keine von ihnen. Oft bekommt Michaela Herrmann Briefe und Postkarten von den Patientinnen. Sie erzählen von ihrer Operation - und wie überrascht sie waren von ihrem Herz-Geschenk, wie gut das tat. Manche berichten, ihr Kissen habe zu Hause einen Ehrenplatz bekommen. So etwas ist Lohn genug für die Frauen und die Initiatorin Michaela Herrmann. Bald gehen 80 neue Kissen ins Krankenhaus.