Bushidos Texte und der Index: "Rap ist die hässliche Fratze der Gesellschaft"
Stand: 02.09.2016, 17:56 Uhr
Es bleibt dabei: Bushidos Album Sonny Black gilt als jugendgefährdend und steht weiter auf dem Index. Das hat das Kölner Verwaltungsgericht am Freitag (02.09.2016) bestätigt. Der Musikjournalist Falk Schacht sagt, was das bringt - und warum Eltern sich entspannen sollten.
Von Sabine Schmitt
Bushidos Texte sind heftig. Können wir von einem Rapper erwarten, dass er sich manierlich benimmt?
Falk Schacht: Ich weiß nicht, ob der Anspruch sinnvoll ist, von einem Rapper zu verlangen, wie er sich zu verhalten hat. Rapper sind ja ein Spiegel der Gesellschaft und die Gesellschaft produziert Umstände, in denen Rapper leben. Wenn die Rapper dann darüber reden, kann man sich gerne wundern – aber man sollte sich dann auch die Frage stellen: Was machen wir eigentlich, dass das dabei rauskommt, und sollten wir vielleicht etwas verändern?
Aber gehen viele Raptexte nicht weit darüber hinaus, was gerade gesellschaftlich ansteht? Geht es da nicht auch um Provokation?
Schacht: Provokation ist sicher ein Punkt. Trotzdem geht es aber immer auch um die Umstände. Bushido ist sicher nicht in einem ganz behüteten Elternhaus aufgewachsen. Der hatte nicht die Chancen und Möglichkeiten, wie andere sie haben. Das führt dann zu Dingen, die die Gesellschaft schrecklich findet. Aber das ist immer wie ein Spiegel. Rapmusik ist die hässliche Fratze der Gesellschaft. Und wenn die Gesellschaft sich selbst sieht, dann mag sie das nicht. Aber es ist nicht der Rapper, der daran schuld ist. Es sind die Umstände, die dazu führen, dass das Gesicht entsteht. Trotzdem wird die Verantwortung immer nur in Richtung des Rappers geschoben. Dabei ist er ja sozusagen nur derjenige, der es ausspricht.
Das ist ja eine sehr reflektierte Sichtweise. Aber wie wirken die Texte denn im Kinderzimmer?
Schacht: Im Kinderzimmer wird das mit Amüsement aufgefasst, dass die Eltern sich darüber aufregen. Das ist ein gewünschter Effekt. Die Kinder rebellieren damit gegen ihre Eltern. Und die Eltern haben ja auch schon mit ihrer Musik gegen ihre Eltern rebelliert. Das ist nichts Neues. Das passiert in jeder Generation. Dass man die Latte dann immer noch ein bisschen höher legen muss, ist aufgrund der gesellschaftlichen Entwicklung auch wieder logisch.
Wie wörtlich darf man Bushidos Texte denn jetzt nehmen? Der meint das doch größtenteils nicht wirklich ernst, oder?
Schacht: Einen Großteil natürlich nicht. Wenn er alles ernst meinen würde, würde das bedeuten, dass er es auch im Alltag umsetzen müsste – und dann würde er im Gefängnis sitzen. Aber das passiert ja nicht. Da werden eigentlich Geschichten erzählt. Das kann man mit Filmen vergleichen. Wenn Martin Scorsese einen Mafiafilm dreht, bekommt der dafür Preise und wird mit Lob überschüttet, und wenn Bushido das rappt, wird er kritisiert, weil man immer vom Publikum aus diese Trennung zwischen Künstler, Kunst und der Realität nicht fassen kann. Daher rührt wohl diese Furcht, dass das ernst gemeint sein könnte. Aber natürlich ist das nicht ernst gemeint.
Das Gericht hat ja jetzt bestätigt, dass das Album Sonny Black auf dem Index bleibt und nicht an Jugendliche verkauft werden darf. Bringt so ein Verbot heute überhaupt noch was? Man findet doch eh alles im Internet.
Schacht: Im Grunde ist das wie Werbung und macht erst recht interessant. Es ist verboten und trotzdem findet man es mit einem Klick. Das Einzige, was es ändert, und das ist auch der Grund, warum Bushido dagegen vorgegangen ist: Man kann es nicht mehr verkaufen, dem Künstler entsteht ein wirtschaftlicher Schaden. Das ist sozusagen die Erziehungsmaßnahme, die man hier durchzusetzen versucht. Ich persönlich empfinde das als einen Einschnitt in die Kunstfreiheit. Aber es hat keinen Effekt, es schützt keinen einzigen Jugendlichen davor, so etwas nicht zu hören.
Geht es bei Boshidos Klage nicht auch um Promotion?
Schacht: Nein, das ist keine Promo. Ich weiß nicht, wie viele CDs er gepresst hat, aber das ist jetzt alles totes Geld, weil er sie nicht verkaufen darf. Das ist ein wirtschaftlicher Schaden. Am Ende geht es nur um die Kohle.
Was ist denn jetzt mit den Eltern, die sich Sorgen machen?
Schacht: Jemand, der mit Rapmusik groß geworden ist, ist da sicher schon mal einen Ticken entspannter. Aber wenn man Kinder hat, und die Dinge tun, die man selbst irgendwie komisch findet oder sich sogar fürchtet, dann kann man natürlich darauf reagieren, in dem man alles verbietet. Aber das steigert nur den Reiz. Die Einzige sinnvolle Alternative ist: sich zusammen hinzusetzen und das zu hören. Häufig passiert da dann schon etwas, weil das Kind es dann auch komisch findet oder es ihm in der Sekunde sogar schon ein bisschen peinlich ist. Danach sollte man dann wirklich einfach offen darüber reden: Wie interpretiert Du die Texte? Was denkst Du darüber? Warum findest Du das spannend? Glaubst Du, dass das stimmt – oder dass der eine Geschichte erzählt? Je nachdem, was man da hört, sollte man dann reagieren.
Können Sie auch noch mal erklären, warum die Rapper sich immer alle gegeseitig battlen und dissen in ihren Liedern?
Schacht: Rapmusik ist die Kultur, die Jugendlichen die Möglichkeit gibt, den Druck, den sie im Alltag empfinden, abzulassen. Das ist ein bisschen wie Sport. Anstatt, dass man Hanteln stemmt, macht man das mit Worten. Die Menschheit hat ein unfassbar hohes Aggressionspotenzial. Das sieht man jeden Tag in den Nachrichten. Und Rap hat bereits eine Lösung angeboten. Nämlich, dass sich zwei Leute, die sich hassen, sich nicht gegenseitig ins Maul schlagen, sondern das über Reime und Musik lösen.