Plan B für die Kinderbetreuung

So helfen sich Eltern beim Kita-Streik

Stand: 12.05.2015, 13:52 Uhr

Woche zwei im unbefristeten Kita-Streik in NRW. Starke Nerven sind gefragt und ein guter Plan B. Wie der aussehen könnte, zeigen Beispiele aus dem Land: von Home Office bis Wohnzimmer-Kita.

1. Das Home-Office

"Meine Chefin lässt mich Computerarbeiten zu Hause machen", sagt Christine Jackson, Mutter von drei Jungs. "Mein Mann darf zwischendurch mal einen Home-Office-Tag einlegen", erzählt die Kölnerin, die im Einkauf arbeitet. "Vertrauensarbeitszeit" und "Arbeitszeitkonten" sind Begriffe, die bei einigen Unternehmen in NRW in diesen Tagen Hochkonjunktur haben. Denn klar ist: Es darf nichts zu lange liegenbleiben, Arbeit muss erledigt werden, trotz Streik in den Kitas. Flexiblere Arbeitszeiten, nach vorne oder hinten verschoben, sind aber in vielen Branchen machbar.

2. Urlaub nehmen

Madelenie Naujoks aus Münster hat Glück mit dem Arbeitgeber: "Ich kann kurzfristig Urlaub nehmen, unbezahlten Urlaub natürlich", sagt die alleinerziehende Mutter einer sechsjährigen Tochter. Und auch Lisa Nasta aus Dortmund hat diese Option gewählt: "Ich habe mir jetzt Urlaub genommen für zwei Wochen und hoffe, dass das irgendwann vorbei sein wird, mit dem Streik."


Stimmen alle juristischen Voraussetzungen, muss der Chef allerdings für eine "verhältnismäßig nicht erhebliche Zeit" bezahlte "Freistellung" gewähren, in der Praxis meistens zwischen ein bis drei Tage. Reicht diese Zeit nicht aus, kann ein Urlaubsantrag gestellt werden. Die Gewährung von bezahltem Urlaub und die Berücksichtigung von Urlaubswünschen der Arbeitnehmer regelt der Paragraf 7 im Bundesurlaubsgesetz.

3. Familie und Freunde helfen mit

Großeltern, Freunde, Leih-Omas, Babysitter: Wer ein privates Sicherheitsnetz in Sachen Kinderbetreuung hat, der sollte es nutzen. Denn vertraute Bezugspersonen sind gerade für die ganz Kleinen wichtig. Das betont auch Attila Gümüs, die sich im Elternbeirat-Vorstand auf kommunaler und landesweiter Ebene engagiert. Er sorgt sich um die Betreuung der Jüngsten in Notgruppen, wie sie viele Kommunen organisieren wollen: „Gerade im U3-Bereich kann man die ganz Kleinen nicht einfach so verpflanzen.“

4. Mini-Kita in Eigenregie

"Wenn der Streik über Wochen gehen sollte, ist Mütter-Solidarität gefragt", sagt Madelenie Naujoks. Aus ihrer Kita-Gruppe wollen dann mehrere Mütter abwechselnd auch andere Kinder aufnehmen: "Das müsste ich dann auch selbst nutzen und natürlich auch anbieten."

Ein besonderes Angebot macht die Stadt Aachen betreuenden Eltern: Wenn Oma, Opa oder Tante fehlen, dann haben Eltern dort ab Montag (11.05.2015) die Möglichkeit, die Räume der städtischen Kitas zu nutzen. Voraussetzung ist jedoch, dass die Eltern die Betreuung selbst organisieren und die Kita wegen des Streiks komplett geschlossen bleibt. Außerdem gilt ein Nutzungsvertrag. In Stuttgart hat dieses Konzept, auch "Stuttgarter Modell" genannt, bei vergangenen Streiks gut funktioniert.

5. Das Eltern-Netzwerk

In Wuppertal gibt es wegen des Kita-Streiks einen besonderen Service: Mit einer App fürs Smartphones können sich betroffene Eltern untereinander vernetzen und gegenseitig Betreuung für ihre Kinder organisieren. Entwickelt wurde die App von einem Wuppertaler Paar, das auch vom Streik betroffen ist.

6. Junger Besuch im Büro

Jennifer Weise arbeitet in Bonn in der Suchthilfe und hofft, ihre vierjährige Tochter auch mal ins Büro mitnehmen zu dürfen. "Über Wochen am Stück geht das nicht, aber sicher wird mein Arbeitgeber zur Not mal für ein, zwei Tage kulant sein." Auf jeden Fall muss der junge Besuch mit dem Vorgesetzten abgesprochen sein.

Der Arbeitgeber kann, muss aber nicht erlauben, dass das Kind ein Elternteil zur Arbeit begleitet. Viele Arbeitgeber erlauben das nicht, allein aus versicherungsrechtlichen Gründen.  Bei Henkel in Düsseldorf zum Beispiel gelten für Besucher im Industriepark besondere Sicherheitsbestimmungen. Manche Arbeitgeber wie e.on oder Bayer bieten allerdings auch Eltern-Kind-Zimmer mit Wickelmöglichkeit, Bettchen und Spielzeug an. Im Optimalfall können Eltern dann arbeiten und Kinder spielen.

7. Die Betriebs-Tagesmutter

Elisabeth Müller, Vorsitzende des "Verbands kinderreiche Familien", hofft, dass auch "innovative Lösungen von den Arbeitgebern" kommen. Ein Beispiel könnte eine Tagesmutter sein, die im Betrieb für die Kinder aller betroffenen Eltern organisiert wird. Größere Unternehmen wie die Deutsche Post AG in Bonn arbeiten zum Teil mit speziellen Dienstleistern zusammen, die flexibel Betreuung anbieten. Auch der Bundesverband mittelständische Wirtschaft verweist auf deren Service. Die Kosten teilen sich Arbeitgeber und Beschäftigte.

8. Die Firmen-Kita

Betriebseigene Kindergärten und ähnliche Kooperationen sind vom aktuellen Streik nicht betroffen, da es sich dort um private Träger handelt. Dass dort kurzfristig zusätzliche Kinder betreut werden können, ist allerdings nur selten möglich. Auf der sicheren Seite sind im Streikfall also nur diejenigen, die regulär die Firmen-Kita nutzen. Die Bayer AG arbeitet dafür zum Beispiel mit dem Deutschen Roten Kreuz zusammen. In Leverkusen gibt es so 210, am Standort Monheim 60 Kita-Plätze speziell für Mitarbeiter. E.on bietet deutschlandweit mehrere hundert Plätze, Henkel in Düsseldorf 240 Plätze in drei Betriebs-Kitas.