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re:publica 2015

Stand: 08.05.2015, 09:51 Uhr

Was ist los in der digitalen Gesellschaft? Zum neunten Mal haben sich Netzexperten, Politiker, Blogger und Journalisten in Berlin auf der re:publica ausgetauscht. Und zwar unter dem Motto "Finding Europe". Unser Netzkenner Jörg Schieb erklärt, was es Neues gibt und was wichtig war.

Man kann noch so virtuell unterwegs sein: Nichts ersetzt den direkten Kontakt von Mensch zu Mensch. Das stellt die re:publica selbst eindrucksvoll unter Beweis. Jedes Jahr kommen mehr Menschen nach Berlin. Motto dieses Jahr: "Finding Europe". Weil es nur ganz Europa gemeinsam schaffen kann, die zunehmende Überwachung im Netz einzudämmen.

Gemeint ist die Überwachung durch Onlinedienste und soziale Netzwerke, aber auch die staatliche Überwachung, die stetig zunimmt. Der aktuelle BND-Skandal war natürlich auch auf der re:publica ein Aufreger.

Massenüberwachung, Vorratsdatenspeicherung, Netzneutralität. Das sind die Themen, die auf der re:publica schon seit einigen Jahren dominieren. So auch in diesem Jahr wieder. Eine Lösung ist nicht in Sicht. Im Gegenteil: republica-Gründer Markus Beckedahl spricht sogar von einem Murmeltier-Feeling, weil es irgendwie jedes Jahr wieder um dieselben Themen zu gehen scheint.

Vorratsdatenspeicherung

Viele Themen auf der re:publica sind wirklich abstrakt. Schwierig, sich konkret vorzustellen, was zum Beispiel die Vorratsdatenspeicherung bedeutet. Auf dem Gelände der re:publica aber steht ein gelber Container. Und der hat ein paar Gucklöcher.

Schaut man rein, sieht man in eine Wohnung – die ein paar Schauspieler bewohnen. Richtig schön indiskret fühlt sich das an, durch das Guckloch zu schauen. Genau so funktioniert aber Vorratsdatenspeicherung: Wir werden bei allem beobachtet, was wir machen – und bekommen nicht mal mit, wenn jemand durch so ein Guckloch auf unser digitales Leben schaut.

Was verraten unsere Daten?

Daten sind ein wertvoller Rohstoff. Daten sind Macht. Dabei ist es besonders problematisch, wenn zu viele Daten in die Hände eines Anbieters oder des Staates kommen. Die Simulation im Video zeigt es: Das Leben des Schweizer Politikers Balthasar Glättli, als visualisierter Datenstrom. Man sieht genau, wann und wo der Mann gewesen ist, wo besonders häufig.

Aber auch, wann er Twitter-Nachrichten abgesetzt hat, wann er E-Mails geschrieben hat, an wen und mit welchem Betreff. Ein nahezu lückenloses Bewegungs- und Kommunikationsprofil. Viele Onlinedienste verfügen ohnehin über solche Daten. Doch jetzt wird wieder über die Einführung der Vorratsdatenspeicherung diskutiert, obwohl sie das Bundesverfassungsgericht abgeschafft hat.

Der gläserne User

Wie lässt sich diese Überwachung verhindern? Darüber zerbrechen sich die Experten auf der re:publica den Kopf. Es geht eigentlich nur durch mehr Datenschutz. Und mehr Verschlüsselung. Für Datenschutz wäre die Politik verantwortlich. Für mehr und bessere Verschlüsselung muss jeder selbst die Verantwortung übernehmen.

Möglichkeiten des Netzes

Aber auch die positiven Aspekte des Netzes müssen betont werden. Beispielsweise Angebote, die für mehr Transparenz sorgen. Sie helfen, Dinge und Zusammenhänge besser zu verstehen. Ein Beispiel ist der Lobbyradar des ZDF, passend zur re:publica gestartet. Das toll gemachte Angebot veranschaulicht die Verbindungen zwischen Lobbyisten und Politikern: 600 Bundestagsabgeordnete gibt es in Berlin – aber fast zehn Mal so viele Lobbyisten.

Was genau kann „Lobbyradar“?

Lobbyradar zeigt das Netzwerk der Strippenzieher. Dazu sind in einer Datenbank die Verbindungen zwischen Politikern und Verbänden, Stiftungen und Organisationen gespeichert. Wer ist mit wem verbandelt – und seit wann? Zumindest die bekannten Verbindungen werden im Lobbyradar sichtbar gemacht.

Besucher können sich diese Verbindungen für jeden einzelnen Politiker anzeigen lassen. Oder auch gezielt nach bestimmten Branchen suchen – und schauen, welcher Politiker dort besonders gut verdrahtet ist. Ein Browser-Plugin sorgt auf Wunsch sogar dafür, dass die Infos jederzeit angezeigt werden, wenn man im Netz surft und auf einen Namen trifft.