Mit Kindern über Terror sprechen: Expertin rät zur Ehrlichkeit

Stand: 22.03.2016, 19:33 Uhr

Terror, Angst und Trauer bestimmen derzeit die Medien - das geht auch an Kindern nicht spurlos vorbei. Eltern, Lehrer und Erzieher stehen vor der Frage, ob und wie sie mit Kindern über Terrorismus reden sollen.

Von Susanne Schnabel

"Mama, was ist Terror?", fragte die elfjährige Edda nach den Anschlägen von Paris im November 2015, während sie mit ihrer Mutter Marion im Auto die Radionachrichten hörte. Die Mönchengladbacherin macht sich seitdem viele Gedanken, wie sie ihrer Tochter immer neue Terrormeldungen erklären kann, ohne Ängste zu schüren: "Wir sprechen viel. Ich erkläre Edda, dass dies Menschen sind, die keinen Respekt vor anderen haben, vor deren Glauben und Lebensweise."

Lügen bringt nichts

Sich viel Zeit nehmen, um die Fragen der Kinder zu beantworten, sei jetzt genau das Richtige, sagt Elisabeth Raffauf, Diplom-Psychologin aus Köln. Allerdings nur, wenn Kinder auch von selbst kommen und Fragen stellen. Aufdrängen solle man ihnen das Thema nicht. Wenn Kinder zum Beispiel wissen möchten, ob so etwas auch bei uns passieren könnte, dann solle man ehrlich antworten, so Raffauf. "Man kann ihnen erklären, das geschieht sehr selten, die Wahrscheinlichkeit ist sehr gering. Aber ganz ausschließen kann das niemand." Lügen oder sich verstellen sei wenig hilfreich, denn das Kind spüre, ob die Eltern die Wahrheit sagen, sagt Raffauf: "Es kennt ja seine Eltern."

Gefühle nicht leugnen

Es sei wichtig, Gefühle nicht wegzureden, sondern zuzugeben, dass Angst und Trauer in dieser Situation angebracht seien, erklärt Raffauf: "Es hilft, wenn man über seine Angst spricht, sie teilt und auf mehrere Schultern verteilt." Sinnvoll sei es, gemeinsam mit den Kindern zu überlegen, wie man seine Gefühle zum Ausdruck bringen könnte, zum Beispiel Blumen niederlegen, etwas aufschreiben oder ein Bild malen.

Terror nachspielen

Wenn Kinder Szenen, die sie im Fernsehen gesehen haben, nachspielen, dann sei das "in Ordnung", sagt die Diplom-Psychologin und ergänzt: "Das ist ein Versuch der Kinder, diese Situation auf irgendeine Weise zu bewältigen. Sie identifizieren sich dann mit dem Angreifer, wenn sie Terrorist spielen. Für Kinder ist das ein Abwehrmechanismus." Eltern sollten sie nicht deswegen verurteilen, sondern mit ihnen sprechen.

Kindgerechte Medien

Die Nachrichten seien schon für Erwachsene verstörend, Kindergartenkinder sollten keine Tagesschau oder Ähnliches gucken, rät Raffauf. Auch im Grundschulalter sollten Kinder besser extra für Kinder aufbereitete Nachrichten anschauen. Markus Mörchen, Leiter der ZDF-Kindernachrichtensendung Logo, wählt sorgfältig aus, was man Kindern zumuten kann und was nicht. "Bilder von Toten oder Verletzten haben bei Logo nichts verloren", sagt Mörchen. Hier arbeite man viel mit Grafiken, "weil die ein so ein furchtbares Ereignis sehr stark versachlichen", sagt Mörchen.

Große Offenheit an Schulen

Udo Beckmann, Landesvorsitzender der Lehrergewerkschaft Verband Bildung und Erziehung

Udo Beckmann, VBE-Landesvorsitzender

Die aktuellen Ereignisse werden derzeit auch an vielen Schulen thematisiert. Laut Udo Beckmann, Landesvorsitzender des Verbandes Bildung und Erziehung, würden sich die Schulen mit einer großen Offenheit mit dem Thema auseinandersetzen. "Das sehen wir etwa daran, dass viele Klassen an einer landesweiten Schweigeminute teilgenommen haben. Das ist in der Regel auch ein konkreter Anlass, um im Unterricht ins Gespräch zu kommen." Von Schule zu Schule sei es im Detail unterschiedlich, wie mit dem Thema umgegangen werde, so Beckmann. Er sagt: "Grundschulkinder müssen die Gelegenheit bekommen, über ihre Ängste zu sprechen. In den weiterführenden Schulen ist es hingegen Aufgabe der Lehrer zu erklären, wie es zu solch extrem gewalttätigen Verhaltensweisen kommt."

In den Fächern Geschichte, Religion oder Sozialkunde lassen sich diese Fragestellungen gut aufgreifen, sagt Beckmann: "Der Umgang mit Extremismus und Rassismus ist ja sowieso Bestandteil des Curriculums der weiterführenden Schulen. Vor dem Hintergrund der unterschiedlichen Herkunft und Religion der Schüler ist dabei Sensibilität gefragt. Schule soll aufklären, nicht parteiisch sein."